Die Spinne im Netz

Vor fünfzehn Jahren erschütterte die schwedische Floorballszene eine Geschichte wie aus einem Visconti-Film. Eine Hand voll Spieler der damaligen Superligan wanderte in den Knast, unter ihnen sogar ein absoluter Meister seines Handwerks.

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1996 eroberte Schweden auf heimischem Boden den ersten Weltmeistertitel und begründete damit eine Ära der unbestrittenen Dominanz. Dank dieses internationalen Triumphs stieg das Ansehen der Sportart auf allen Ebenen. Medien begannen überregional zu berichten, der Verband gewann an sportpolitischer Relevanz und die Szene kürte ihre ersten Stars, die als Botschafter Floorball ein populäres Gesicht geben durften. Darunter zukünftige Legenden wie Martin Olofsson oder Christian Hellström, aber auch gestandene Ikonen wie etwa WM-Allstar Jonas „Silen“ Eriksson.

Der talentierte Schlaks war ein technisches Wunderkind. Während man den meisten seiner Altersgenossen ansah, dass sie Großteile ihres spielerischen Vermögens aus dem Eishockey übernommen hatten, zelebrierte Eriksson vollkommen neue technische Finessen, welche die Sportart für immer prägen sollten.

Im Dienste von Basel Magic exportierte Eriksson als einer der ersten internationalen Stars schwedisches Spitzenfloorball in die Schweiz. 2000 folgte das zweite WM-Gold. Insgesamt sammelte der Verteidiger für Schweden in 38 Spielen 16 Tore und 14 Vorlagen. Mit den Balrog Oilers feierte das stets gut gelaunte Energiebündel nationale Titel in Serie.

Eriksson war Balrogs Schlüsselspieler, zu einer Zeit als der Verein noch das Nonplusultra des Floorballs war. Madrid, Manchester und München in einem. Niemand ahnte, dass der Verein in einigen Jahren in die Zweitklassigkeit und damit auch in die unabwendbare Insolvenz schlittern sollte. Und niemand ahnte, dass es Jonas „Silen“ Eriksson nicht viel besser ergehen würde.

Werbung für Nike (2.v.l.) und zwei Weltmeistertitel – Jonas „Silen“ Eriksson gehörte zu den ersten Stars der internationalen Floorball-Szene. Mit Balrog baute der Pionier den ersten Innebandy-Großklub mit auf.

„Die Story war über mehrere Tage Schlagzeile Nummer eins in allen großen Medien“, erinnert sich Henrik Jansson, Redakteur bei Innebandymagazinet, an jenen Tag im Mai, an dem die Bombe platzte. „Niemand konnte verstehen, wie ‚Silen‘ in so etwas verwickelt sein konnte.“

Die schwedische Polizei hatte bei einer Razzia sieben namhafte Floorball-Spieler verhaftet, die den Überfall auf einen Geldtransport geplant haben sollten. Darunter auch Publikumsliebling Eriksson. Die Vorbereitungen auf diesen Coup seien bereits in ihrer finalen Phase gewesen, als die Polizei aufgrund zugespielter Indizien die Telefone aller Beteiligten anzapfte und mithörte.

Als die sieben Verdächtigen mit den Mitschnitten konfrontiert wurden, wiegelten sie ab. Zwar habe man über Fahrtrouten, Funkausrüstung und 50 Millionen Schwedische Kronen gesprochen (damals etwa 5,5 Millionen Euro), tatsächlich hätten alle Beteiligten aber nur gescherzt. Es habe sich um ein „unschuldiges Rollenspiel“ gehandelt. Bei den besprochenen Routen sei es nur um das Fahrradrennen Vätternrundan gegangen, bei den Geldtransportern nur um Eiswagen.

Zwar lagen dem Gericht keine materiellen oder forensischen Beweise in Form von Waffen oder Plänen vor und auch die Absprachen seien meist nicht deutlich gewesen, es habe aber keinerlei begründete Zweifel über den Vorsatz gegeben.

Generalstaatsanwalt Henrik Söderman hielt Jonas Eriksson sogar für die „Spinne im Netz“. Der damals 34-Jährige erhielt deshalb auch die höchste Strafe – ein Jahr und vier Monate Gefängnis. Als Geldpacker habe sich Eriksson in das verantwortliche Sicherheitsunternehmen einschleusen lassen. Habe Informationen über Angestellte und deren Arbeitsabläufe, über Routinen und Zeitpläne gesammelt und diese im Anschluss an seine Komplizen weitergeleitet.

„Was ich erlebt habe, bereichert mich. Ich habe die andere Seite der Gesellschaft gesehen.“

Nach seiner Entlassung mied Eriksson das Thema. Darüber, was sich im Frühling 2004 tatsächlich abgespielt hatte, wollte er nicht mehr reden. Zwölf Monate verbrachte Eriksson im Kolmårdens Gefängnis. Auch eine Berufung hatte das nicht ändern können. Seine Haarpracht von einst war mittlerweile einer gepflegten Glatze gewichen.

„Was ich erlebt habe, bereichert mich. Ich habe die andere Seite der Gesellschaft gesehen“, resümiert Eriksson. Er habe seine Proritäten überdenken können. Statt Sport und Arbeit, wolle er sich in Zukunft mehr auf seine Kinder konzentrieren.

Nach seiner Freilassung verdiente Eriksson sein Geld mit einem eigenen Malerbetrieb. Die Floorballszene wollte Eriksson seinen mutmaßlichen Fehltritt lange nicht verzeihen. Der Schaden, den die Sportart mit diesen Schlagzeilen genommen hatte, war immens. Die Aktiven, die Eriksson als einen der Größten aller Zeiten verehrten, waren sprachlos.

„Silen“ gelang dennoch ein sportliches Comeback, sogar für Balrog durfte er noch einmal in der höchsten Spielklasse auflaufen. Seine Karriere ließ er bei Örebro SK Ungdom ausklingen, wo er danach als Trainer angestellt wurde. Was passiert sei, sei passiert. Er habe seine Strafe abgesessen und wolle diese Geschichte hinter sich lassen, behauptete Eriksson.

Hinweis: Aktualisierter Artikel aus der Printausgabe 2/14; Ergänzende Quellen: innebandymagazinet, aftonbladet; Foto: Kici Nilsson, innebandymagazinet