Zuschauerzahlen sind auch im deutschen Floorball ein wichtiger Parameter, der viel über die Entwicklung der Sportart aussagen könnte. Schade, dass wir uns dabei gerne selbst belügen.
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Als die Ausrichter im Laufe des vergangenen WM-Finals die Besucherzahl von 16.112 verkündeten, war es nur einer von vielen Zuschauerrekorden, die die Tschechen im Verlauf der WM-Woche verkünden durften. Insgesamt sollen 181.518 Zuschauer das Turnier besucht haben. Auch hatte eine deutsche Nationalmannschaft noch nie vor mehr Zuschauern gespielt als im Eröffnungsspiel gegen Tschechien. 12.326 waren gekommen.
Dass viele Kommentatoren die Besucherzahl des Endspiels in Frage stellten, da die Tribüne doch etwas zu viele lichte Stellen aufwies, lies kaum jemanden aufhorchen. Denn Zuschauerrekorde sind etwas schönes, für alle. Veranstalter und Ausrichter können einen wichtigen Erfolgswert aufweisen, Vermarkter prahlen mit Reichweite, Verbände reden von Wachstum und auch Fans und Spieler fühlen sich als Teil von etwas immer Größerem.
Auch aus diesem Grund ist es kein Wunder, dass es die IFF, ebenso wie die meisten Verbände und Vereine, nicht immer zu genau mit den Zuschauerzahlen genommen hatte. Meist wurden alle Aktiven mitgerechnet, ebenso wie Hausmeister und Sicherheitspersonal, die Kakerlaken unterm Hallenboden. Außerdem sind meistens zehn Prozent, oder doch lieber zwanzig Prozent gerade Bierchen holen. Also wird im Zweifel auch noch aufgerundet.
In der Vergangenheit hatte das Floorballmag gerne am Ende einer Saison Zuschauerstatistiken zusammengefasst. Das können wir uns mittlerweile sparen – was unendlich schade ist. Ein Beispiel: Im Spielprotokoll des Bundesligaspiels Nummer 12, zwischen UHC Weißenfels und DJK Holzbüttgen wird die offizielle Zuschauerzahl 225 angegeben. Wer sich bei YouTube die Partie aufruft, zählt auf der einzigen vorhandenen Tribüne mit viel gutem Willen vielleicht etwas über 100 Personen. Vielleicht sahen von den nicht sichtbaren Standflächen der Galerie die restlichen 125 Zuschauer zu, was aber eher unwahrscheinlich ist.
Natürlich ist es unfair alleine den UHC hervorzuheben. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit leistet sich jeder Verein mal seltener, mal öfter ein ebenso kurzsichtiges Schiedsgericht. Solche Verfehlungen schmälern aber wiederum die Leistungen tatsächlich erfolgreicher Vereine. So gelang es den Floor Fighters Chemnitz zur Unzeit, am 22.12.2018, einen Eventspieltag auf die Beine zu stellen, bei dem tatsächlich über 300 Zuschauer den Weg in die Schlossteichhalle fanden.
Die desolaten Zuschauerzahlen in Berlin sind bekannt. Auch deshalb versucht niemand noch die zwei Wischmopps in der Hallenecke zum Gästeblock hinzuzurechnen. Auch beim vergangenen Final4 ging man gewissenhaft vor und war zurecht stolz auf den neuen deutschen Rekord von 1.820 Zuschauern. Würde der nächste Ausrichter mit der in der Liga üblichen Großzügigkeit ans Werk herantreten, wäre das alles andere als sportlich gegenüber den Vorgängern.
Die Unschärfe der meisten Schiedsgerichte hat zur Folge, dass der Ligabetrieb keine aussagekräftigen Zuschauerzahlen vorlegen kann. Dabei dürften sich die Zahlen mit den Aufsteigern der vergangenen Jahre, etwa von Kaufering, Holzbüttgen oder Schenefeld, deutlich verbessert haben. Höchst wahrscheinlich müsste man sich nicht einmal vor den Topnationen verstecken, wo selbst Großvereine wie Pixbo (Schweden) oder Tatran (Tschechien) zumindest im regulären Ligabetrieb oft nicht auf über 200 Besucher kommen. Die Hälfte der Schweizer Liga kommt im Schnitt nicht über 400 Zuschauer und in Finnland sins die Zahlen schon immer schwach gewesen.
Leider haben korrekte Zuschauerzahlen für den Dachverband bislang eine nur sehr geringe Priorität – bzw. gibt es größere Baustellen als dass Vereine eher zu hohe als zu niedrige Zuschauerzahlen ausweisen – obwohl diese somit langfristig unvergleichbar sein werden. Auch wird man sie guten Gewissens weder Sponsor noch Werbeagentur vorlegen können.
Der Dachverband wird hier eine neue, deutliche Weisung aufsetzen und Ausrichter sowie Schiedsrichter in die Pflicht nehmen müssen. Mitte eines bestimmten Drittels sind dann beispielsweise alle Zuschauer zu zählen, auf zehn Seelen genau. Dazu dürfen maximal 10 % hinzugerechnet werden, die sich außerhalb der Tribüne aufhalten. Schiedsrichter-Beobachter oder anderweitige Verbandsvertreter dürfen auch unangekündigt kontrollieren.
Foto: Sibylle Schmidt