Ein Sturm zieht auf

Seit Beginn dieser Saison sind die Baltic Storms ein neues Gebilde in der deutschen Floorballszene. Tatsächlich handelt es sich aber keineswegs um einen neuen Verein, sondern um das gemeinsame Projekt zweier ehemals großer Rivalen.

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Wer sich in der deutschen Floorball-Szene etwas auskennt, den lässt die Erwähnung des Vereinsnamens „TSV Neuwittenbek“ vermutlich nicht allzu ratlos zurück: Die Nordlichter aus der Region um Kiel spielen immerhin seit mittlerweile elf Jahren in der 2. Bundesliga Nord/West (bzw. deren Vorgänger-Modellen) und haben im Gründungsjahr des Unterbaus der deutschen Königsklasse 2007/2008 direkt den Meistertitel gegen den SV Wikinger Grimma eingefahren, verzichteten jedoch im Anschluss auf den Aufstieg. Als einziges deutsches Team absolvierten die Neuwittenbeker seitdem jede einzelne Saison in der zweiten Bundesliga ohne einen einzigen Auf- oder Abstieg – bis vor der jetzigen Spielsaison 2018/2019.

Der Kieler Floorball Klub hingegen ist in Floorball Deutschland vermutlich nicht ganz so vielen Leuten bekannt, obwohl man hier immerhin keine Suchmaschine anschmeißen muss, um herauszufinden, wo der Verein eigentlich angesiedelt ist. Doch auch der KFK hat als reiner Floorball-Verein eine nicht unrühmliche Historie mit drei Spielzeiten in der 2. Bundesliga und einigen packenden Derbys eben gegen den TSV Neuwittenbek vorzuweisen. Zuletzt schickte man sich an, mit einem neu aufgebauten Team erneut den Aufstieg von der Regionalliga in die höhere Spielklasse anzupeilen.

Neuwittenbek und Kiel verschwinden von der Bildfläche

Seit Mitte des Jahres sind in den Tabellen und Scorerlisten des Floorball-Verbandes Schleswig-Holstein und ja, auch der 2. Bundesliga Nord/West beide Vereinsnamen aber kaum noch auffindbar – stattdessen begegnet man immer wieder dem Namen „Baltic Storms“.

Die Baltic Storms sind das Ergebnis einer vollständigen (wenn auch aktuell eher oberflächlichen, dazu später mehr) Fusionierung des TSV Neuwittenbek und des Kieler Floorball Klubs. „Das Projekt brodelte schon länger vor sich hin und erfuhr seine Grundsteinlegung vor einigen Jahren mit den „Baltic Bruins“, einer gemeinsamen U17-Großfeld-Mannschaft, welche ein Verein allein nicht auf die Beine hätte stellen können“, so Daniel Kunze, Abteilungsleiter Floorball des TSV Neuwittenbek und einer der sechs für die Fusion hauptverantwortlichen Funktionäre beider Vereine. „Zu Beginn der vergangenen Saison, also im Sommer 2017, wurden bereits die Herren-Mannschaften beider Teams zusammengewürfelt und daraus ein mehr oder weniger neues Bundesliga-Team und ein zweites Großfeld-Team geschaffen“, erzählt Kunze weiter. „Aufgrund der kurzfristigen Umsetzung dieser Idee liefen damals beide Teams allerdings noch mit den ursprünglichen Namen als TSV in der Bundesliga bzw. als KFK auf Landesebene auf.“

Im Frühling 2018 wurden dann Nägel mit Köpfen gemacht: Ein neuer Name wurde gefunden, ein entsprechendes Logo mit Unterstützung einer Werbeagentur geschaffen, eine neue fesche Homepage sowie neue Social-Media-Profile wurden aus dem Boden gestampft und für verschiedene Teams auch direkt neue Trikots designt und eingekauft. Auch ein ansprechendes Programmheft geht in Druck mit dem wunderbaren (ans Wappentier angelehnten) Namen „Möwenschiss“. Doch wozu der ganze Aufwand?

Beide Vereine sahen sich in der jüngeren Vergangenheit trotz allem Elan und Enthusiasmus mehr und mehr den gleichen Problemen gegenübergestellt, die viele andere Vereine in Floorball Deutschland quälen: Hallenzeiten sind knapp (im Winter sowieso, weil Fußball regelmäßig zum Hallensport mutiert), man erreicht häufig nicht ganz so viele Kinder und Jugendliche, wie man sich das zum Bilden spielfähiger Teams eigentlich vorstellt und aufgrund der meist relativ geringen Vereinsgrößen sind die medialen Reichweiten eher niedrig. Beim Kieler Floorball Klub besteht darüber hinaus die Problematik, dass es sich um einen reinen Floorballverein handelt. Seine Funktionäre können sich somit nicht ausschließlich auf floorballerische Aufgaben – ob administrativer oder anderer Natur – konzentrieren. Stattdessen muss quasi „nebenbei“ auch ein Gesamtverein verwaltet werden, was jede Menge zusätzlicher Manpower erfordert.

Landfloorball profitiert vom Stadtfloorball – und umgekehrt

Vielen der genannten Probleme wurde mit der Fusion entschieden entgegengetreten: Was die Hallenzeiten betrifft, so können die „Landfloorballer“ aus Neuwittenbek nun die Hallen der Stadt Kiel mitnutzen, umgekehrt werden die „Stadtfloorballer“ hin und wieder in die Halle des beschaulichen Dörfchens am Nord-Ostsee-Kanal ausquartiert. „Unterm Strich stehen vollere Hallen bei so gut wie jedem Training, was sich unmittelbar und extrem kurzfristig auf die Anzahl der für den Spielbetrieb gemeldeten Mannschaften der Baltic Storms ausgewirkt hat“, berichtet Pascal Riedel, Sportwart des Kieler Floorball Klub.

„Insbesondere im Jugendbereich sind wir mit zwei Kleinfeld-Teams der Altersklasse U11, zwei weiteren der Altersklasse U13, einem der Altersklasse U15 und einem U17-Großfeld-Team jetzt extrem breit aufgestellt“, sagt Riedel. Dazu kommen ein Kleinfeld- sowie ein Großfeld-Damen-Team (wobei letzteres in einer SG mit dem Gettorfer TV echt norddeutsch als „Förde Deerns“ aufläuft und im vergangenen Jahr bereits den Meistertitel in Schleswig-Holstein einsacken konnte), eine Ü30-Mannschaft, eine bunt zusammengewürfelte Truppe auf dem Herren-Kleinfeld sowie natürlich das Bundesliga-Team sowie dessen Unterbau mit der zweiten Mannschaft. Insgesamt stehen die Storms heute bei 12 gemeldeten Teams und etwa 250 Mitgliedern.

Aber wurde oben nicht etwas von „oberflächlicher Fusionierung“ geschrieben? Korrekt. Aktuell sind die Baltic Storms von außen betrachtet zwar bereits eine Einheit, tatsächlich handelt es sich jedoch, wenn man das Gebilde etwas unter die Lupe nimmt, nur um eine groß angelegte Spielgemeinschaft beider Ursprungsvereine, die sich über alle Teams erstreckt und einen hübscheren Namen trägt als „SG Neuwittenbek/Kiel“ oder ähnliches. Unter der Oberfläche existieren der TSV und der KFK nämlich weiterhin. Die Aktiven der Baltic Storms sind entweder hier oder dort Vereinsmitglied und besuchen beispielsweise verschiedene Jahreshauptversammlungen – obwohl sie in den gleichen Teams spielen.

 

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Die tatsächliche Zusammenführung beider Vereine ist somit die nächste große Baustelle, welche zur Saison 2019/2020 oder spätestens zur Folgesaison in Angriff genommen werden soll. Hierbei gibt es jedoch noch diverse Fragen zu beantworten: Wie wird das rechtliche Gebilde aussehen? Wird der eine Verein vom anderen „geschluckt“? Da es sich beim TSV Neuwittenbek um einen Mehrspartenverein handelt, könnte dies zumindest in die eine Richtung schwierig werden. Wird ein neuer, dritter Verein gegründet, in den die bisherigen beiden übergehen? Oder wird ein Gebilde „über“ den beiden Vereinen, in welcher Form auch immer, geschaffen? Und überhaupt: Falls die zukünftige Vereinsstruktur ihren Sitz in Kiel haben sollte, verfällt dann nicht der Anspruch auf Hallenzeiten in Neuwittenbek bzw. umgekehrt? Dies würde einen der großen Beweggründe für die Fusionierung direkt wieder zunichtemachen.

„All dies sind Fragen, die wir aktuell nur teilweise beantworten können“, gibt Kunze zu. „Doch wenn man in Betracht zieht, dass sich zwei erbitterte Rivalen im Großraum Kiel innerhalb kürzester Zeit zusammengetan haben, um gemeinsam zu wachsen und mittelfristig die 2. Bundesliga aufzumischen, muss man sich um die Nordlichter Floorball Deutschlands vermutlich keine Sorgen machen“, beschließt er das Gespräch mit einem Augenzwinkern.

Kann man so stehen lassen. Machen wir also auch.

Foto: TV Eiche Horn Bremen; Hinweis der Redaktion: Der Verfasser dieses Artikels ist selbst Mitglied der Baltic Storms.