Endlich mal wieder Typen in der Liga. Lilienthal-Coach Jesse Backman sorgt nicht nur mit seinem engen Polo für Spannung im Spielbetrieb. Seine Truppe legte beim Final4 zwei furiose Spiele aufs Leipziger Parkett und eroberte völlig verdient den Cup. Jetzt die Meisterschaft? „Wir spüren keinen Druck, wir bleiben die Underdogs“, beschwichtigt der Finne.
Als der Countdown der letzten Sekunden abgelaufen war und seine Spieler im Freudentaumel durch die Halle torkelten, blieb Jesse Backmans Miene so finster wie immer. Oder vielleicht weniger finster, eher grübelnd. Dabei hat der TV Lilienthal gerade den Deutschen Pokal gewonnen, hat in seiner letzten Saison im Oberhaus doch noch die lang ersehnte Trophäe erobert. Und das auf eine spielerisch herausragende Weise.
„Ich habe Funken davon schon während der Saison gesehen, aber immer nur maximal fünfzehn oder zwanzig Minuten lang“, sagt Backman. Er habe gehofft, es kommt der Tag, an dem es ein ganzes Spiel lang durchfunkelt. Und genau das sei jetzt gelungen. Aber ganz zufrieden dürfe man natürlich nie sein, es gebe durchaus noch einiges, was man besser machen könne. Als der Pokal überreicht wird, bricht es aus Backman doch noch heraus. Der Pott gehört Lilienthal.
Auch beim Final4 verfolgten die Wölfe wieder die Philosophie, dass Sturm die beste Verteidigung ist. Diesmal ging sie auf. Und wie. Weißenfels und Wernigerode kamen oft genug in die Defensivzone der Lilienthaler. Die blockten aber gut, konnten sich auf das vermutlich stärkste Torhüterduo der Liga verlassen (Nils Hallerstede und Sebastian Spöhle) und behielten mit ihren blitzschnellen Kontern immer einen Fuß im Hintertürchen des Gegners. Eine mutige Taktik?
„Ich würde nicht sagen mutig“, meint Backman. „So machen wir die Dinge hier eben“. Auch als Wernigerode im Endspiel auf 5:6 verkürzt, macht Lilienthal keine Anstalten, das Ding irgendwie über die Runden zu bekommen. „Wir haben ab und zu den Fokus etwas verloren. Als Trainer versuchst du in dem Moment den Jungs Selbstbewusstsein zu geben, damit sie auch unter Druck wieder tapfer ihr Spiel durchziehen und nicht an sich zweifeln“.
Natürlich herrschte im Hallentrakt nach dem Finale ausgelassene, feuchtfröhliche Stimmung. Cupsieg. Im letzten Jahr. Wahnsinn. „Wir haben ein paar Mal abgeklatscht und einige Selfies geschossen“, beantwortet Backman trocken die Frage, ob die Feierlichkeiten nicht negativ auf das anstehende Playoff-Spiel gegen Hamburg ausstrahlen könnten. Das mag vielleicht nicht stimmen, aber dass ab jetzt nur die Playoff zählen, glaubt man ihm aufs Wort.
Jeder erfüllt seine Rolle und macht seinen Job.
„Gut, dass wir das Interview am Dienstag machen“, sagt Backman. „Morgen wird mich das Hobbyturnier vom letzten Wochenende nicht mehr interessieren.“ Ist jetzt also auch das ganz große Ding drin? Mit dem gezeigten Spiel muss man schon Meister im Understatement sein, um sich als Außenseiter zu bezeichnen. Backmann verzieht mal wieder keine Miene. „Der Druck liegt jetzt auf den anderen Teams. Wir spüren keinen Druck, wir bleiben die Underdogs.“
Natürlich schwingt dauerhaft mit, dass dies Lilienthals letzte Bundesligasaison ist. Unglaublich aber wahr. Man hat sich schwer verspekuliert und wird sich nach der jetzt schon erfolgreichsten Saison der Vereinsgeschichte in die Bedeutungslosigkeit verabschieden. Auf die sportlichen Leistungen soll das aber bis zum letzten Spiel keinen Einfluss haben. Das Team hält zusammen, hat auch schwache Phasen überstanden, insbesondere während der Verletzung von Janos Bröker.
Backman will aber keinen Spieler hervorheben. „Jeder erfüllt seine Rolle und macht seinen Job. Es ist gut, eine Gruppe Jungs auf derselben Mission zu wissen. Es ist ihre letzte gemeinsame Saison und sie haben Spaß. Wir haben gesehen, dass wir auf dem richtig Weg sind. Ich bin mir sicher, da ist noch ausreichend Treibstoff übrig, um nachzulegen“.
Fotos: Final4 Ausrichter / pixzone