Deutschland glitt durch die B-Division wie ein Messer durch warme Butter. Woran lag’s, was kann man vom Weltmeister lernen und wie geht’s jetzt weiter? Das Floorballmag im Gespräch mit Co-Trainer Mathis Wittneben.
Floorballmag: Mathis, erstmal Glückwunsch zum Aufstieg. Hattet ihr erwartet, dass ihr die B-Division so dominieren werdet?
Mathis Wittneben: Erstmal Danke für Glückwünsche. Wir sind mit dem Ziel angetreten, die B-Division zu gewinnen. Dass es am Ende so souverän und in jedem Spiel auch mit einem deutlichen Sieg klappen würde, war sicherlich ein Wunsch aber eher unerwartet. Vor zwei Jahren haben wir uns noch mit Gegnern wie Australien schwer getan. Die Mannschaft hat sich seit der Qualifikation in Bozen im August, die schon sehr gut gelaufen ist, noch einmal super weiterentwickelt. Bis auf einzelne kurze Phasen wurde in jeder Partie unsequent und sehr diszipliniert die Spielidee verfolgt. Die Jungs waren jetzt auf dem besten Level.
Man muss aber auch festhalten, dass die Gegner ziemlich enttäuschten. Dass Slowenien zur größten Herausforderung wurde, war eine Überraschung.
Zuvor hatten wir die Polen als größten Konkurrenten gesehen. Beim Polish Cup im Februar konnten wir sie zwar auch schon knapp bezwingen, eigentlich war das aber ein ziemlich glücklicher Erfolg gewesen. Danach scheint bei Polen nicht mehr viel passiert zu sein. Unsere Jungs hingegen haben ihr Spiel noch deutlich weiterentwickelt. Das taktische Konzept von Thomas Berger ist aufgegangen. Es stellt sich auch für uns die Frage, ob die Gegner schwach oder unsere U19 einfach gut war.
Vielleicht beides?
Die slowenische und die polnische Mannschaft hatten gegen unser Forechecking wenig Ideen, dazu hatten wir in allen Spielen extrem viel Ballbesitz und ließen so defensiv kaum etwas zu. Die Slowenen haben aber natürlich überrascht. Schließlich haben sie die starken Russen besiegt, gegen die wir diesmal nicht gespielt haben. Dafür, dass sie sich zum ersten Mal qualifiziert haben, war das ein große Leistung. Norwegen oder Dänemark wären als Konkurrenz aber sicherlich nochmal eine andere Herausforderung gewesen.
Was war spielerisch gesehen die größte Stärke der deutschen Mannschaft?
Wir hatten eine große Breite, unser Spiel war nicht von einem Einzelspieler abhängig. Wir konnten das Turnier komplett mit drei Reihen durchspielen. Im Gruppenspiel und Finale hat unsere nominell dritte Reihe überwiegend gegen die erste der Slowenen gespielt und standgehalten. Dadurch konnten sich die Sturmreihen von Spöhle, Hofferbert, Wipfler und Scholz, Bonifacio, Schweiger offensiv entfalten. Bei Toren und Assists waren sie am Ende sehr ausgeglichen und unberechenbarer als bei den anderen Teams. Ergänzend dazu hat das Team mit Ball sehr geduldig gespielt und ihn lange sehr gut zirkulieren lassen. Das fällt deutschen Teams oft schwer und wird noch zu wenig bedacht, was dann in vielen Spielen in einem unkontrollierten Kick and Rush endet.
Wie habt ihr das Event wahrgenommen?
Die Kanadier waren bemüht und immer sehr freundlich. Aber sie hatten doch einige Probleme im Hintergrund. Es gab kaum Volunteers und es fehlte wohl auch etwas der Background eines mitorganisierenden Vereins. Hier sind sicherlich auch die Sportstrukturen in Kanada andere als in Europa. 2017 stand in Vaxjö ein SSL-Team mit seiner Erfahrung und Manpower dahinter. Der Gerflor-Boden in der A-Halle war zu Beginn der Woche ein Unding für eine Weltmeisterschaft.
Die gähnend leeren Tribünen wirkten etwas traurig.
Wir hatten aber den Eindruck, dass die lokalen Medien das Event gut aufgenommen haben. Wenn wir mit dem Team unterwegs waren, wussten schon einige Leute Bescheid. Den Weg in die Halle haben die meisten dann aber doch nicht gefunden. Bei U19-Turnieren in Europa kommen dann ja meist auch nur die Fans aus der Szene.
Das Team wird für die kommende WM ein komplett anderes sein. Zwecks Jahrgang werden nur wenige Spieler bleiben. Wie sind die Aussichten, dass der nächste Kader mit der Weltelite wird mithalten können?
Es wird sicherlich nicht einfach für den neuen Kader werden. Fünf Spieler der aktuellen Mannschaft können dann noch einmal antreten. Die haben letzt gesehen, was auf sie zukommt. Man wird sicherlich auch ein wenig die Spielausrichtung anpassen müssen. Physisch sind die A-Nationen einfach extrem weit und alles ist viel schneller.
Die Jugendligen unterfordern Auswahlspieler total und bringen eigentlich keinen Lerneffekt.
Und jetzt?
Hier müssen die Spieler individuell in den Vereinen deutlich mehr machen. Das müssen wir auch von den Spielern sowie von den Vereinstrainern mehr einfordern. Leider hinkt das nationale Spielniveau hinter her. Die Jugendligen unterfordern Auswahlspieler total und bringen eigentlich keinen Lerneffekt. Sofern man nicht 1.Bundesliga oder im Ausland spielt kommt man nicht ansatzweise an die Anforderungen eines A-WM Spiels heran.
Ihr hattet Gelegenheit auch die furiose Fahrt der Tschechen mitzuerleben. Was beeindruckte dich dabei am meisten? Und was kann sich das deutsche Floorball davon aneignen?
Die Tschechen sind physisch super ausgebildet. Spieler wie Flip Langer sind extrem agil und machen mit und ohne Ball enorm viel Tempo, schalten schnell um. Technisch waren die Schweden verspielter und haben sich an der extrem disziplinierten Verteidigung die Zähne ausgebissen. Die Tschechen waren am Ende sehr effektiv und spielten mit direktem Zug zum Tor. Das sollte für Jugend zuhause immer inspirierend sein.
Thomas Bergers Vertrag läuft jetzt aus. Wie wird es mit dem Staff weitergehen? Bleibst du an Bord?
Die ersten Gespräche mit Floorball Deutschland laufen bereits. Wir müssen jetzt aber auch erstmal unser Fazit aus der letzten Kampagne ziehen. Ich arbeite mit Thomas Berger jetzt sechs Jahre zusammen. Im männlichen Junioren Bereich ist mit der angedockten U17 Nationalmannschaft eine gute Basis entstanden. Wir können sehr froh sein, dass dieser professionelle Support aus der Schweiz von Thomas kommt. Da eine Trainerausbildung quasi nicht existiert, hat das meine persönliche Trainerentwicklung enorm weitergebracht. Deshalb würde ich mich wünschen, dass wieder neue junge Trainer einen ähnlichen Weg gehen möchten und auf uns zukommen.
Foto: ETV (1), IFF (2)