Der Dachverband und seine Landesverbände haben praktisch sämtlichen Spielbetrieb abgebrochen, größtenteils sogar beendet. Die deutsche und globale Gesellschaft hat nun mit Sicherheit andere Sorgen als gecancelte Floorball-Spiele. Trotz allem birgt die Situation nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen für die Szene.
Jede und jeder kann sich die innere Leere vorstellen, als Vorahnung zu Gewissheit wurde, und wir als Ausrichter die Absage des Final4 bekanntgeben mussten. Hätten die weisungsbefugten Behörden mit ihren unverbindlichen Wünschen und Empfehlungen nicht wochenlang die rechtliche Verantwortung auf uns umgewälzt, wäre die Entscheidung vermutlich schon früher gefallen. Aber glücklicherweise lenken nun auch deutsche Organisationen ein, um diesem Virus einmal mit geballter Kraft entgegenzutreten. Schaden wird es der Sache mit Sicherheit nicht.
Corona? Kenn dein Limit
Warum das Zögern der einigen Wenigen unangebracht ist, fasste die Redaktion der 11Freunde pointiert zusammen. Die Fußball-Bundesliga sei gerade wie dieser eine Freund, der nicht weiß, wann gut ist. Obwohl alle schon nach Hause wollen, Barfrau Gitti schon dreimal die letzte Runde angekündigt hat, bestellt er trotzdem noch zwei, singt Karaoke „Purple Rain“ und bricht später alleine ins Freibad ein. Und am nächsten morgen ist er krank. Corona? Kenn dein Limit.
Der deutsche Floorball-Sport kennt sein Limit. Die entsprechenden Vorstände und Kommissionen haben in eilig einberufenen Sitzungen entsprechend entschieden. Zugegeben, auch hier war bereits jene nun oft zitierte „Höhere Gewalt“ im Spiel. Viele Gesundheitsbehörden untersagen mittlerweile jeglichen Spielbetrieb, schließen Hallen. Selbst wenn die Verbände nicht reagiert hätten, kaum ein Spieltag wäre an diesem Wochenenden noch in vollem Umfang umsetzbar gewesen.
Während manche regionalen Wettbewerbe erst einmal unterbrochen sind, um im Falle einer Entspannung der Lage, vielleicht im Frühsommer, noch bestimmte Entscheidungsspiele abzuhalten, wurde der Spielbetrieb der bundesweit organisierten Ligen komplett abgebrochen. Es wird somit weder bei den Damen noch bei den Herren einen Großfeld-Meister geben, und auch keine Pokalsieger. Was von diesem Jahr sportlich bleibt, werden wir in einem anderen Artikel aufgreifen.
Wer spielt wo?
Die organisatorisch größte Herausforderung wird nun die Zusammenstellung der Ligen 20/21 sein. Denn klare Regularien gibt es hierfür nicht, tatsächlich nicht einmal bei anderen Wettbewerben. Verhältnismäßig einfach ist die Situation in geschlossenen Ligen, wie der DEL, der NHL oder NBA. Doch für vernetzte Spielbetriebe gibt es keine Blaupause. Die Sportschau hatte bereits für die 1. Fußball Bundesliga spekuliert (Link zu Artikel), wenn auch Floorball vermutlich eine eigene Lösung benötigen wird.
Denn die Option „Tabelle einfrieren und Ende“ funktioniert alleine nicht, da der Abstieg explizit über Playdown- und Relegationsspiele geregelt wird, nicht über die Tabellenposition – die außerdem nicht feststeht. Bei einem direkten Abstieg, entschieden am grünen Tisch, ohne formelle Grundlage, würden Absteiger vermutlich sogar klagen können, wenn nicht müssen. „Spiele nachträglich auszurichten“, seien es auch nur bestimmte Ausscheidungsspiele, ist im Floorball zwecks Hallenzugriff schwer planbar, zumal der Dachverband die Saison nun bereits für beendet erklärt hat.
Es bleiben somit nur zwei realistische Varianten: „Abbrechen und annullieren“ dürfte die einfachste und rechtlich sauberste Lösung sein. Die reguläre Beendigung der Saison ist aufgrund „Höherer Gewalt“ nicht möglich und muss deshalb im neuen Jahrgang von Neuem beginnen. So werden es vermutlich andere Verbände handhaben, unter anderem jene der Floorball-Topnationen. Eine solche Entscheidung würde aber alle potenziellen Aufsteiger vor den Kopf stoßen, vor allem Schenefeld, das die Nord/West-Staffel dominierte, aber auch SC DHfK Leipzig, der im Süd/Osten vorm letzten Spieltag auf Platz eins lag.
Die vermutlich fairste, wenn auch umständlichere Lösung wäre eine temporäre Anpassung der Ligengröße – vielleicht sogar eine Variante auch für regionale Spielbetriebe. In der 1. Bundesliga könnten so 20/21 zwölf Teams auflaufen, zwecks Kalender etwa mit Vierer-Playoffs und einem strengen Abstiegsprozedere, das die Liga dann für 21/22 wieder auf zehn Mannschaften drosselt. Abhängig wäre diese Lösung von ausreichend aufstiegswilligen Mannschaften unterhalb der 2. Bundesliga.
Zeit zum Testen?
Eine extravagante aber organisatorisch bequeme Lösung wäre hingegen ein Experiment-Jahr. Der Dachverband könnte die schwierige Situation dafür nutzen, um ein vollkommen neues Bundesliga-Modell zu testen: Eine 1. Bundesliga mit zwei Staffeln à acht, insgesamt sechzehn Teams. Eine geografische Verbreitung der Königsklasse würde sie einerseits vermarktbarer machen, andererseits die Ansprüche für besonders reisegeplagte Teams senken. Darunter würden stärkere Regionalligen entstehen. Sollte sich das Modell 20/21 bewähren, könnte man es behalten, sonst auf den alten Modus zurückbauen.
All diese Denkspiele sind für die Meisten von uns Futter für zwischendurch, solange bis es jemand entscheidet oder der Hallenmeister wieder die Halle aufschließt. Doch wer weiß, wie lange das noch dauern wird? Zumal geschlossene Sporthallen aktuell vielleicht noch eine der eher kleineren Sorgen der Menschheit sind.
Für die Floorball-Szene ist die aktuelle Situation aber trotzdem anstrengend, für viele frustrierend und enttäuschend, und das ist auch in Ordnung so. Doch sie wird beweisen, wie aufgeklärt das deutsche Floorball ist: Einerseits nach außen, indem man konstruktiv Weisungen von Gesundheitsämtern folgt und eine hilfsbereite Gemeinschaft darstellt. Andererseits nach innen, indem man geduldig bleibt und einsichtig jene unterstützt, die unter schwierigen Bedingungen die besten Lösungen zu finden versuchen.