Was bleibt

Hätte, hätte, Viererkette. Die diesjährige Bundesligasaison endete als es gerade richtig spannend wurde. Schade. Ein Grund auf unsere jährliche Teamanalyse zu verzichten? Nicht mit uns.

UHC WEISSENFELS

Wenn kommende Saison die Entscheidungsspiele anstehen, werden seit dem letzten Weißenfelser Titel knapp drei Jahre vergangenen sein. Zwei Niederlagen musste der UHC diese Saison verkraften, eine überraschende bei den wiedererstarkten Kauferingern (5:8) und eine im Pokalviertelfinale gegen Leipzig (4:5 n.V.). Und obwohl einige Siege knapp ausfielen, war der komfortable 8-Punkte-Vorsprung auf Verfolger Leipzig dennoch eine klare Ansage. Die Offensivkraft von Anssi Soini kompensierte ein insgesamt homogenerer Kader, angeführt vom wiedergenesenen Matthias Siede (23+19) und einem unerwarteten Torjäger Henry Backmann (25 Treffer). Hinzu kamen viele Einsätze für junge Nachwuchsspieler sowie auch die Rückkehr von Thomas Händler und Sascha Herlt . Vieles deutete darauf hin, das der Rekordmeister seine Krone zurückhaben möchte. Dieses Ziel musste auf 2021 verschoben werden.

MFBC LEIPZIG

Der amtierende Meister setzte dieses Jahr alles auf Sturm. Mit Samuli Granlund (23+32), Ville Pousi (32+21), Mark-Oliver Bothe (35+14) und Erik Schuschwary (30+25) platzierten sich gleich vier Leipziger unter den sechs produktivsten Spielern der Liga, drei davon knackten sogar die 30-Tore-Marke. Insgesamt versenkte der MFBC 172 Tore im gegnerischen Kasten, somit mehr als zehn pro Spiel. Die ausgeglichene Bilanz gegen Weißenfels deutete außerdem darauf hin, dass das Titelrennen wie erhofft spannend werden könnte. Schwächen zeigten die Leipziger dann, wenn es dem Gegner gelang deren Konter zu schließen und den Ball selbst schnell nach vorne zu verlagern. Aufgrund der offensiven Dominanz trauten sich aber wenige Mannschaften überhaupt regelmäßig über die Mittellinie. Leipzigs Angriff wurde so zur zweitbesten Verteidigung der Liga (98 Gegentore).

FLOOR FIGHTERS CHEMNITZ

Das Staunen war groß als Chemnitz im vergangenen Sommer den Zugang von gleich vier finnischen Legionären verkündete. Und tatsächlich schlugen diese wie erwartet ein, allen voran Juho Kivinen, den ein Spieltag von der verdienten Topscorer- und Torjägerkrone trennte. 43 Tore und 22 Vorlagen in 17 Spielen. Schön herausgespielte Spielzüge brauchte der rechte Flügel selten, schnelle Orientierung und präzise Handgelenksschüsse reichten aus. Fast ein Drittel der Chemnitzer Treffer netzte Kivinen selbst ein. Starke Leistungen lieferten aber auch deutsche Spieler, etwa der produktivste unter ihnen, Magnus-Ernst Scholz (20+8). In den letzten Spielrunden waren die Floor Fighters aber dennoch in eine kleine Krise gerutscht und kassierten drei Niederlagen am Stück. Auch hatten sie weder gegen Weißenfels noch gegen Leipzig punkten können. Um an seine diesjährige Tabellenplatzierung anschließen zu können, wird Chemnitz im Sommer wieder ordentlich nachrüsten müssen – ihre diesjährigen Legionäre mussten sie bereits verabschieden.

TV SCHRIESHEIM

Die Baden-Württemberger sind vielleicht nicht der beliebteste Gegner, erstens wegen ihrer berüchtigten Heimhalle, zweitens wegen einer zwiespältigen „Kantigkeit“ auf dem Platz. Dennoch war die sportliche Leistung des Aufsteigers die vermutlich größte Sensation der diesjährigen Saison. Tatsächlich hätte Schriesheim am letzten Spieltag noch den Sprung auf den dritten Tabellenplatz schaffen können, was zwecks der Heimstärke des TV die Chancen für ein erfolgreiches Playoff-Viertelfinale massiv erhöht hätte. Dabei hatte man mehr als der Hälfte aller Spiele entweder auf einen oder auf beide Gebrüder Burmeister verzichten müssen. Ohne einen einzigen ausländischen Verstärkungsspieler gelangen Siege unter anderem gegen finnisch aufgerüstete Chemnitzer (5:4) und Leipziger (8:7). Die größte Herausforderung des TV bleibt der verhältnismäßig dünne Kader, der wenig taktischen Spielraum lässt, wenn sich Gegner auf bestimmte Spielachsen erst einmal eingestellt haben. Andererseits, bleibt die Truppe gesund, kann Schriesheim 20/21 nach noch Höherem streben.

DJK Holzbüttgen

Ähnlich wie Chemnitz hatte auch Holzbüttgen seinen Kader vor der Saison massiv aufgestockt. Obwohl man am Ende doch recht sicher die Playoffs erreichte, eine wirkliche Souveränität ließ der vermeintliche Geheimfavorit über weite Strecken der Saison vermissen. Nach einem holprigen Start kam die DJK irgendwann gut in die Gänge, trotze mit einem furiosen 10:10 Meister Leipzig einen Punkt ab, machte kurzen Prozess mit Chemnitz (12:6) und holte sogar einen Punkt in Weißenfels (8:9 n.V.). Tatsächlich gelang in den letzten sechs Spielen der Ligaphase aber kein Sieg in regulärer Spielzeit. Am Ende waren die individuellen Qualitäten der finnischen Legionäre im Vergleich zur Konkurrenz zumindest offensiv überschaubar gewesen, das Fehlen der erhofften Leistungsträger mit dem Nachnamen Bröker zu häufig. Eine erneut starke Saison lieferte Eigengewächs Nils Hofferbert, der insbesondere in Spielen, in denen im Aufbau wenig zu Stande kam, individuell oft den Unterschied machte. Für 20/21 Wird man in Holzbüttgen an einem flüssigerem Offensiv- und einem kompakteren Defensivspiel arbeiten müssen. Sonst bleiben mögliche Medaillenwünsche weiterhin unerfüllt.

ETV HAMBURG

Die Piranhhas haben eine seltsame Saison zu verdauen. Zunächst ein Traumstart mit Siegen gegen Holzbüttgen (7:4) und Leipzig (12:8), später eine handfeste Midseason-Krise mit sieben sieglosen Spielen am Stück. Bedenkt man aber die Zusammenstellung des Kaders, der zu einem Großteil aus nachgerückten Nachwuchsspielern besteht, war die Schlussplatzierung doch ein solides Ergebnis. Zumal der ETV oft auf zentrale Leistungsträger wie Martin Gladigau oder Flemming Per Kühl verzichten musste. Letzterer wurde so mit nur zwölf gespielten Partien (20+9) trotzdem Topscorer der Hanseaten. Allem Vertrauen in die Jugend zum Trotz erwarten den ETV dennoch schwierige Zeiten. Die Verfügbarkeit der Leistungsträger könnte zum Problem werden. Für die Saison 20/21 wird man Zuzüge brauchen, sonst könnten die Piranhhas tief im Abstiegssumpf landen.

RED HOCKS KAUFERING

Den mit Abstand kuriosesten Saisonverlauf hat mit Sicherheit Kaufering vorzuweisen. Einen mickrigen Punkt hatten die Red Hocks nach den ersten acht Partien auf dem Konto, lagen abgeschlagen und hoffnungslos auf dem letzten Tabellenplatz. Dann das Comeback mit vier Siegen aus sechs Spielen, darunter auch ein berauschendes 8:5 gegen Tabellenprimus Weißenfels, im Übrigen die einzige Liganiederlage des UHC. Vorm letzten Spieltag trennten Kaufering dann nur noch zwei Punkte von einem Playoff-Platz. Tatsächlich konnten die Bayern diese Saison viele schöne Geschichten erzählen: Die nächste starke Saison von Nachwuchstalent Ricardo Wipfler (21+12), der späte Aufstieg des Tobias Hutter (17 Tore in 17 Spielen) oder Daniel Falkenbergers Hattrick im Pokalspiel gegen Bonn. Ähnlich wie Hamburg dürfte aber auch die Red Hocks eine fordernde Zukunft erwarten. Der späte Aufschwung hatte viel mit der Rückkehr des verletzten Kapitäns Max Falkenberger zu tun (20 Punkte aus 10 Spielen) sowie des reaktivierten Trainerstabs. Beide werden dem Team aber vielleicht nicht mehr lange erhalten bleiben. Dann drohe ein Rückfall.

RED DEVILS WERNIGERODE

Die Red Devils bescherten der Liga in dieser Saison reichlich Gesprächsstoff. Nach dem Abschied diverser Leistungsträger im vergangenen Sommer war ein Abschwung absehbar gewesen. Nachdem die neuen Legionäre Joonas Poutanen und Viktor Niemi dann noch früh die Segel gestrichen hatten, kassierte das Team von Neutrainer Ralf Lisiecki zunächst zahlreiche Niederlagen am Stück. Angeführt vom tschechischen Veteranen Vojta Krupicka (13+11) sowie dem schwedischen Neuzugang Philip Andersson (14+9) steigerten sich die Red Devils aber von Spiel zu Spiel und blieben bis zum vorletzten Ligaspieltag im Rennen um die Playoffs. Für Schmunzeln sorgten deshalb die drei finnischen Last-Minute-Transfers von Aku Taira, Joni Liikanen und Pauno Kajoksinen, die Wernigerode mit Siegen in der Relegation um jeden Preis die Liga sichern sollten. Am Ende absolvierten zwei von ihnen zumindest ein Ligaspiel. Dann kam Corona. Für die kommende Saison brauchen die Red Devils vor allem Stabilität, auch aus Fairness gegenüber ihren jungen Spielern, die dieses Jahr beweisen konnten, dass sie auch selbst Verantwortung übernehmen können.

SSF DRAGONS BONN

Obwohl Bonn am Ende der gespielten Ligazeit den vorletzten Platz belegte, war die Rückkehr der Dragons ins Oberhaus alles andere als eine Enttäuschung. Tatsächlich hatten sie noch zwei Spiele gut, was bei bestimmten Ergebnissen sogar zum Einzug in die Playoffs hätte führen könnte. Die größte Stärke der Bonner war aber wie zu erwarten zugleich auch ihre größte Schwäche: Als mit Abstand produktivster deutscher Spieler belegte Florian Weißkirchen mit satten 30 Toren und 28 Vorlagen den zweiten Platz der Scorerwertung. Insbesondere sein Zusammenspiel mit Safak Temel (25+14) verdrehte manchem Verteidiger den Kopf. Wenn dies aber nicht gelang, weil sich der Gegner entsprechend einstellte, gingen die Punkte meist verloren. Sollte Weißkirchen den Dragons erhalten bleiben (2019 stand ein Wechsel in die Schweiz im Raum), wird die Konkurrenz für dieses Duo besser gewappnet sein und Bonn wird weitere Stärken entwickeln müssen.

BERLIN ROCKETS

Die neubenannten Rockets legten eine lupenreine Fehlzündung hin. Im vergangenen Sommer übernahm ein neuer Trainerstab, der Kader wurde erweitert. Doch leider passten weder Spielsystem noch Aufstellung zur Realität einer erstarkten Liga. Erst nach einem Trainerwechsel im Februar und einer Umstellung auf ein robusteres Spiel kehrten wieder alte Stärken zurück. In ihren letzten Ligaspielen punkteten die Rockets gegen die Playoff-Teams Holzbüttgen und Schriesheim, unterlagen nur knapp Chemnitz und Weißenfels. Doch der Aufschwung kam zu spät, Berlin sammelte insgesamt weniger Punkte als in der Hinrunde der Vorsaison 19/20 und belegte den letzten Tabellenplatz. Um sich in einer kommenden Bundesliga-Saison zu behaupten, werden die Rockets personell aufrüsten müssen. Defensiv läuft’s, offensiv siecht Berlin aber weiter dahin. Außerdem kommt das Ablaufdatum diverser Routiniers gefährlich nahe.

Fotos: Matthias Kuch, Floor Fighters Chemnitz, Red Hocks Kaufering