Gut drei Monate ist es nun her, dass Floorball Deutschland den gesamten Spiel- und Trainingsbetrieb der Saison 19/20 aufgrund der Pandemie mit sofortiger Wirkung einstellte. Doch während der nun verlängerten Sommerpause konnte der Dachverband bereits ein erstes Konzept für die Gestaltung seiner Bundesligen herausarbeiten. Dieses beinhaltet neben grundlegenden strukturellen Veränderungen auch einige Überraschungen für die Teams.
Das neuartige Coronavirus hat die gesamte Sportwelt fest im Griff und auch vor unserer geliebten Sportart keinen Halt gemacht. Doch neue Situationen erfordern neue Wege. Aus diesem Grund hat sich Floorball Deutschland in enger Abstimmung mit den Vereinen für eine Reform der Bundesligen entschieden. Die fehlenden Möglichkeiten für die Austragung von Auf- und Abstiegsspielen gewährleisten den zum Zeitpunkt des Abbruches Erstplatzierten der 2. Bundesligen Blau-Weiß 96 Schenefeld und SC DHfK Leipzig einen kampflosen Aufstieg in die 1. Bundesliga. Da keine Teams aus der höchsten deutschen Spielklasse absteigen, wächst diese in der kommenden Saison 20/21 auf 12 Teams heran.
In der 2. Bundesliga hingegen prägen neue Zusammensetzungen und neue Teams das Bild. Auch wenn das Niveau deutlich höher ausfallen mag, als es der Name vermuten lässt, ähnelt das Unterhaus der 1. Bundesliga nun einem bunten Nebeneinander mehrerer Regionalligen. Mit der Einführung dreier regionalen Staffeln Nord/West, Süd/West und Ost werden in der kommenden Saison insgesamt 17 Teams an den Start gehen.
Neue Zusammensetzung
Doch was bedeuten diese strukturellen Neuregelungen für die Teams? Eine für alle betroffenen Vereine optimale und zufriedenstellende Lösung scheint schier unmöglich, denn das Konzept erntete sowohl in den sozialen Netzwerken als auch intern in den Vereinen heftige Kritik. Die 2. Bundesliga Nord/West bleibt ziemlich unverändert. Die Wölfe aus Lilienthal konnten sich in der vergangenen Saison rechtzeitig für den sportlichen Aufstieg qualifizieren und ersetzen in der kommenden Spielzeit den BSV Roxel. Durch den Übergang des TSV Tollwut Ebersgöns in die 2. Bundesliga Süd/West bleibt den Teams aus dem Norden sogar die längste Auswärtsfahrt erspart.
Die neue Zuordnung von Ebersgöns und Rennsteig zur 2. Bundesliga Süd/West sorgt für eine ordentliche Lücke, die in der kommenden Saison nur mit langen Auswärtsfahrten überbrückt werden kann. Zudem wird die Liga durch den FC Stern aus München in den Süden der Bundesrepublik ausgeweitet. Aus der Sicht des TSV Tollwut Ebersgöns kann man die Fahrt nach München zwar mit der nach Kiel vergleichen, doch während Rennsteig hauptsächlich auf seine gewohnten Gegner aus den letzten Saisons trifft, befindet sich Ebersgöns im wahrsten Sinne des Wortes in einer komplett neuen Umgebung mit unbekannten Gegnern.
In der 2. Bundesliga Ost gehen insgesamt sieben Teams an den Start. Diese geographische Komprimierung garantiert kurze Wege und bewahrt die Teams vor längeren Auswärtsfahrten nach Feuerbach oder Ingolstadt. Man sollte und darf dieses Konzept aber nicht ausschließlich nach den zu fahrenden Kilometern bewerten. „Natürlich sind unsere Fahrtkosten geringer, aber unter einer Bundesliga verstehen wir einen deutschlandweiten Wettbewerb“, stellt Sascha Marquardt, Teammanager des PSV 90 Dessau, entscheidend fest.
Flexibilität oder Willkür?
Floorball Deutschland begründet die graduelle Vergrößerung der Spielklasse mit dem mittelfristigen Ziel einer bundesweiten 2. Bundesliga und kalkuliert einen 3-Jahres Plan zur endgültig neuen Struktur ein. „Die neue Staffeleinteilung ermöglicht es uns als Verband, flexibler auf mögliche Spielausfälle in verschiedenen Regionen in Zusammenhang mit der derzeitigen Corona-Pandemie zu reagieren“, erklärt Jan Brandt, Vorstandsmitglied von Floorball Deutschland.
Verständlich. Doch wenn sowieso noch nicht feststeht, wann die kommende Saison unter welchen Bedingungen starten wird, sollte man die Gleichzeitigkeit einer Aufstockung der 1. Bundesliga und einer Verkleinerung der 2. Liga unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Aspektes kritisch hinterfragen. Natürlich kann das Unterhaus in der kommenden Saison mehr Teams aufweisen als je zuvor, aber in einer 2. Bundesliga sollte doch eher der bundesweite Vergleich als eine möglichst hohe Anzahl an Mannschaften im Vordergrund stehen. „Es wirkt alles sehr willkürlich“, bewertet Marquardt die Situation.
Und gleiche Wettkampfbedingungen sehen ebenfalls anders aus. Während in der Staffel Ost mit sieben Teams sicher zwölf Spiele auf dem Programm stehen, müssen sich die Mannschaften aus dem Rest der Republik zunächst mit acht regulären Punktspielen zufrieden geben. Selbst der Ausgleich dieser Problematik durch ein dreifaches Aufeinandertreffen würde den Diskurs über das doppelte Antreten der längsten Auswärtsfahrt anregen.
Auf dem Weg zur Eingleisigkeit
Der endgültige Austragungsmodus steht zwar noch zur Debatte, aber der Dachverband hat bereits einen Vergleich zwischen den Ligen angekündigt. Zudem sollten die regionalen Staffeln eine Zusammenführung der Mannschaften in eine bundesweite 2. Liga erleichtern.
Die Botschaft aus dem Osten ist deutlich. „Die generelle Dreiteilung ist ein Rückschritt. Ich hätte eine Aufstockung auf die Saison 21/22 verschoben“, meint Sascha Marquardt. Die optimale Alternative bestehe demnach in der Austragung einer weiteren Saison nach alten Mustern. In der kommenden Spielzeit 21/22 könne man schließlich den Sprung in eine vergrößerte Bundesliga sowie eine bundesweite 2. Liga wagen und somit einen wesentlichen Schritt in Richtung Professionalisierung der Wettkampfstrukturen machen. „So hätten alle Teams genügend Zeit, sich auf die Realisierung vorzubereiten“, ergänzt der Teammanager zu seinem Vorschlag.
Zumindest sportlich dürfte es in der kommenden Saison spannend werden. „Mit den Igels aus Dresden, Halle, Berlin und uns sind die stärksten Teams der vergangenen Saison in unserer Staffel. Mit den Aufsteigern und insbesondere den TSG Füchsen sind starke Teams in die Liga hochgekommen“, lobt Sascha Marquardt die Kontrahenten der Staffel Ost. Und auch die 2. Bundesliga Nord/West verspricht einige spannende Partien. Mit dem Aufstieg der Lilienthaler Wölfe garantiert die Staffel ein vielversprechendes Derby.
Manchmal ist ein Schritt in die vermeintlich falsche Richtung auch ein wichtiger Schritt zum Ziel. Und eben dieses Ziel einer bundesweiten 2. Bundesliga ist für die kontinuierliche Entwicklung des deutschen Floorballes von enormer Wichtigkeit. „In der Zukunft ist eine eingleisige 2. Bundesliga ein Muss“, behauptet auch Sascha Marquardt.
Wirkung einer nationalen Liga
Nationale Ligen besitzen eben einen anderen Wert. Ein deutschlandweiter Wettbewerb würde nicht nur die Attraktivität der gesamten Sportart steigern und somit zu einem Anstieg des Leistungsniveaus führen, sondern auch den Wettkampf in der obersten Spielklasse ankurbeln. Der deutsche Profifußball vermittelt das Bild einer solchen 2. Liga. Die enge Leistungsdichte verspricht Spannung bis zum Schluss und verkörpert eine gewisse Unberechenbarkeit, die die Spitze des deutschen Floorballes spätestens in den Auf- und Abstiegsspielen zu spüren bekommen würde.
Und welcher Bundesligist steigt schon gerne in eine starke, kompetitive und konsistente 2. Liga ab? Die Black Wolves aus Dessau haben es vergangene Saison im Pokal gegen Wernigerode gezeigt, dass man durchaus mit den Großen des „deutschen“ Floorballes mithalten kann – vorausgesetzt man vernachlässigt die Devise, dass der Pokal seine eigenen Gesetze habe.
Doch lässt man die sportlichen Folgen mal außer Acht, bietet eine deutschlandweite Liga auch Anhaltspunkte für eine erhöhte mediale Präsenz, die wachsendes Publikumsinteresse garantiert – und diese Aufmerksamkeit würde sich nicht ausschließlich auf die Szene begrenzen, sondern könnte sich auf die gesamte deutsche Sportwelt ausweiten.
„Floorball Deutschland hatte nach der Aufstockung der 1. Bundesliga keine andere Wahl als die 2. Bundesliga zu reformieren“, resumiert Marquardt seine Stellungnahme. Ob diese Entscheidung also mehr eine logische Konsequenz oder doch ein durchdachtes Konzept darstellt, wird die kommende Saison zeigen.
Stabilisation nach innen. Repräsentation nach außen. Eine bundesweite 2. Liga hätte diese Attribute bestimmt erfüllen können. Die momentane Lösung kann dies eher nicht von sich behaupten. Doch wenn die mögliche Zukunft des deutschen Floorballs diese strukturellen Veränderungen braucht, hat Floorball Deutschland die Krise optimal als Chance genutzt. Corona sei dank.