Die schwedische Superligan sieht sich als stärkste Liga der Welt, verkauft sich aber seit Jahren weit unter Wert. Woran das liegt, warum das für die globale Floorball-Entwicklung ein Problem ist und was man in Deutschland daraus lernen kann.
Noch immer gilt die schwedische Floorball-Liga SSL als stärkster Floorball-Wettbewerb der Welt. TV-Kommentatoren schmachten zwar von der finnischen Salibandyliiga, von ihrem wilden, offensiv ungebändigten Spiel. Doch hinter ihren wenigen Topteams (also Classic) ist das Leistungsgefälle zu steil. Die Schweiz und Tschechien haben mittlerweile beim Thema Infrastruktur und Vermarktung ordentlich vorlegen können, hinken sportlich aber noch weiter hinterher.
Obwohl sie seit 2009 keinen anderen Meister als Falun oder Storvreta hervorgebracht hat, überzeugt die SSL vor allem durch die Breite ihrer Qualität. Selbst Teams aus dem schwedischen Tabellenkeller würden in den Konkurrenzligen ernsthafte Herausforderer, wenn nicht sogar Titelkandidaten sein. Langweilig praktisches Spiel hin oder her. Wer also gerne Vergleiche bemüht, könnte Parallelen zwischen der SSL und der deutschen Handball-Bundesliga erkennen. Der Durchschnitt macht’s.
Doch das sportliche Niveau bedingt leider kaum andere Qualitäten. Weder kann Schwedens zweitgrößter Teamsport eine zufriedenstellende Anzahl an Hallenbesuchern vorweisen, noch treibt die SSL die internationale Entwicklung der Sportart voran. Man könnte sogar behaupten, Schweden macht vor, wie man es nicht machen sollte. Ähnlich wie der Weltverband werden auch die SIBF und ihre Spitzenligen den Ansprüchen an eine junge, trendorientierte Sportart schlichtweg nicht gerecht.
Vor gut einem Jahr erreichte die Entwicklung der SSL ihren absoluten Tiefpunkt. Monatelang hatte der Dachverband mit der Interessengemeinschaft FSSL verhandelt, welche die Vereine der männlichen und weiblichen Spitzenligen vertrat. Die Vereine forderten die Übertragung aller Rechte in eine unabhängige Organisation, um den Wettbewerb professioneller vermarkten zu können. Die Gespräche scheiterten, ein Großteil der Vereine verkündete angeblich definitiv die Gründung einer eigenen Liga. Am Ende fand man doch noch zusammen, die SSL blieb bestehen, ausgerüstet mit einer eigenen Vermarktungsabteilung.
Das größte Problem der Organisation war und ist tatsächlich ihre Struktur. Der Dachverband veranstaltet und vermarktet die SSL wie jede andere Liga seines Spielbetriebs. Erst seit Kurzem hat der Spitzenwettbewerb mit SSL.se überhaupt eine eigene Website. Doch auch von den Vereinen selbst kam lange wenig. Auch weil es nicht anders ging. Zwar hatten diese ihre Interessengemeinschaft, doch verfügte diese über kein wirklich praktisches Mandat, konnte also nur Forderungen stellen. Ein zentrales Organ, dass die Liga strategisch als öffentlichkeitswirksames Instrument aufgebaut hätte, gibt es somit erst seit der vergangenen Saison.
Ein bisschen wie Onkel Rainer an Muttis Sechzigstem, die dünne Tolle nach hinten gewischt, das hellblaue Hemd schwarz geschwitzt, in der Hand irgendwas mit Schirmchen. „Komm her Mäuschen, ich zeig dir wie man tanzt.“
Doch leider sind auch seine ersten Erfolge eher zwiespältig. Im Juni verkündete die SSL beispielsweise den Abschluss eines lukrativen Mediadeals – über fünf Jahre mit dem Verlagshaus Expressen und dessen Video-Plattform “SportExpressen Play“. Gerade die Übertragungsrechte der Liga waren ein häufiges Streitthema zwischen Klubs und Verband gewesen. Doch obwohl sich die Liga über die Mehreinnahmen freuen darf, ein wesentliches Problem könnte die Partnerschaft weiter vertiefen – die internationale Sichtbarkeit. Denn möchte die SSL global eine relevante Rolle spielen, Gesprächsthema sein und damit attraktiv auch für internationale Sponsoren werden, ist eine derartige Streaming-Lösung pures Gift. Die SSL wäre gut beraten, ihre Livestreams im Ausland kostenfrei anzubieten oder zumindest übersichtlich an zentraler Stelle Highlights zu streuen.
Doch wie egal der SSL ihre internationale Wahrnehmung ist, sieht man auch daran, dass keinerlei Inhalte auf englisch produziert werden. Dabei geht es nicht um eine Übersetzung der Website, alleine ein einfacher Instagram-Kanal mit regelmäßig zusammenfassenden Posts wäre schon ein Anfang. Bedenkt man aber das Desinteresse schwedischer Klubs an internationalen Events, ist das wohl keine Überraschung. Dabei müsste die SSL sogar Treiber einer europäischen Klubgemeinschaft werden, selbst Projekte starten, um ins Gespräch kommen, um interessant zu werden, um Wert zu schaffen.
Aber egal, viel verpasst der interessierte Fan sowieso nicht. Denn was Inhalt und Geschichte angeht hat SSL vermeintlich wenig zu bieten. Wer über Monate hinweg die neuesten SSL-News verfolgt, der sammelt vermutlich auch gerne pfälzische Bierdeckel. Wechselgerüchte, Wechselgerüchte, noch etwas Wechselgerüchte und ein paar Finanzprobleme – außerhalb des Spielfeldes produziert die selbsternannte stärkste Liga der Welt nur Langeweile. Und das verpackt in erschreckend schlechte Social-Media-Posts. Spannende Statistiken, Interviews mit Charakter, innovative Formate, eine Prise Ironie? Fehlanzeige.
Und das große Highlight „Superfinal“? Sportlich das Höchste der Gefühle. Die Atmosphäre im Globen, zuletzt 2019? Erschöpft. Die Vermarktung? Müde. Aber wer mal das Glück hatte, mit den Stars der Szene bei der Afterparty abzuhängen, der weiß, wie dufte sich die SSL trotzdem findet. Ein bisschen wie Onkel Rainer an Muttis Sechzigstem, die dünne Tolle nach hinten gewischt, das hellblaue Hemd schwarz geschwitzt, in der Hand irgendwas mit Schirmchen. „Komm her Mäuschen, ich zeig dir wie man tanzt.“
Aber dass es so nicht weitergeht, ist mittlerweile den meisten Entscheidern bewusst. Corona hat gezeigt, wie ungesund die Strukturen selbst der größten Vereine sind. Mit IKSU und fast auch Falun wären beinahe beide Titelträger in die Insolvenz gerutscht. Ein echtes Lizenzierungsverfahren, wie es in den meisten (halb-)professionellen Ligen üblich ist, wäre Wunschdenken.
Außerdem macht die Konkurrenz Druck. Tschechien greift zumindest zuhause nach immensen Reichweiten, ist im öffentlich-rechtlichen TV präsent, versorgt Fans mit hochwertigen Streams und ist mit seiner Social-Media-Strategie Vorreiter der gesamten nationalen Sportszene. Finnland hingegen setzt bewusst auf Expansion und grätscht mit seiner F-Liiga in die internationale Lücke, für die man sich in Schweden zu fein zu sein scheint.
Am Ende ist jede Liga ihres eigenen Glückes Schmied. Und wenn man sich in Schweden nunmal wohl in seinem bequemen Heim fühlt, alles hygge und so, dann bitte. Für die Entwicklung der Sportart ist die Träge der SSL aber ein Fluch. Denn Floorball braucht eine „stärkste Liga der Welt“, die wirklich stark ist.