Die Personalkrise in der Leitung der Herren-Nationalmannschaft ging natürlich am Team selber nicht spurlos vorbei. Kapitän Tim Böttcher bemängelt schlechte Kommunikation seitens des Vorstands und fordert klare Strategien.
Floorballmag: Hubacher und Erkelenz traten vor zwei Wochen zurück. Am Wochenende kam noch Nilsson dazu. Sind die Gründe für Dich und das Team nachvollziehbar?
Generell hat uns der Schritt der drei überrascht. Obwohl es die Probleme zwischen Teilen des Staff und des Vorstandes schon mindestens seit letztem Sommer gibt. Gleichzeitig sind wir natürlich auch sauer, weil es Unruhe in das Team bringt und zusammen mit der Corona-Pandemie die ohnehin extrem gestörte WM-Vorbereitung weiter behindern und erschweren kann.
Wie haben Euch die Nachrichten erreicht?
Über die Gründe wurden wir als Team zumindest nur wenig informiert. Von Remo haben wir eine Mail erhalten, in denen recht allgemein Gründe angegeben wurden. Von Seiten des Vorstandes kam zumindest an das ganze Team nichts. Ein Vertreter möchte aber im September ins Trainingslager kommen. Ich habe persönlich noch mit Remo Hubacher, Michael Volling vom Vorstand und Atte Ronkanen telefoniert, und so etwas mehr über die Hintergründe erfahren. Dementsprechend habe ich auch drei teilweise verschiedene Aussagen gehört. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Eine kurze Zusammenfassung habe ich im Anschluss an unsere Gruppe geschrieben. So oder so scheint das Verhältnis zwischen Teilen des Vorstands und des Staffs ziemlich festgefahren.
Atte Ronkanen erbt den Bundestrainer-Job, zumindest bis zur WM. Eine naheliegende Lösung?
Atte hat bereits in der Qualifikation bewiesen, dass er sehr gut ins Team passt. Ob er als Chef denselben Input geben kann, weiß ich nicht, wobei ich es selbstverständlich hoffe. Darüber hinaus werden ihn ja auch neue und bisherige Mitglieder des Team-Staffs unterstützen. Vielleicht gelingt es ihm ja, perspektivisch etwas in der Mannschafsführung aufzubauen. Denn ehrlich gesagt, habe ich starke Zweifel, ob die WM 2020 überhaupt stattfindet.
Welche Wünsche hast du an den verantwortlichen Vorstand des Verbandes hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Teams?
Vom Vorstand wünschen wir uns, vor allem mehr Kommunikation. Wir als Team erhalten höchstens zu den Turnieren mal einen Besuch eines Vorstands-Vertreters. Meist hat man dann nur wenig Zeit zum Diskutieren. Natürlich sieht man sich auch zu Bundesliga-Spielen oder man ruft mich als Kapitän auch direkt an. Aber Mitteilungen an das Team, beispielsweise Danksagungen, Informationen zu Personalien oder Ausrichtungen für Turniere, sind leider Fehlanzeige.
Der Kontakt fehlt also?
Manchmal kommt es vor, dass plötzlich Leute in der Kabine stehen und wir uns fragen, wer das ist – eben weil es keinen Kontakt gibt und man sich nicht kennt. Natürlich wünschen wir uns, dass Ruhe und Kontinuität in die Mannschaft kommt. Wir brauchen keine Schnellschüsse, nur damit es jemand macht, der es vielleicht nur aus Prestige machen möchte. Über Atte und seinem Staff haben wir jetzt eine gute Lösung gefunden und der Vorstand hat Zeit gewonnen. Aber wir brauchen Personalien, die langfristig gebunden werden und die die entsprechende Qualität mitbringen.
Auch die finanzielle Situation soll ein sich wiederholendes Problem sein. Ein großes?
Ja, ein großer Streitpunkt ist häufig das Geld in Verbindung mit dem geforderten Anspruch. Ich finde es ehrlich gesagt traurig, dass sich auch in der finanziellen Wertschätzung der Spieler nicht wirklich etwas tut. Ich bin mittlerweile seit über zehn Jahren in der Nationalmannschaft und muss mich immer noch rechtfertigen, wieso wir teilweise so viel Geld zahlen müssen, um Deutschland vertreten zu dürfen. Ich persönlich gebe gerne etwas Geld dafür aus, allerdings hindert es sicherlich andere, ebenfalls fähige Spieler daran, an Trainingslagern oder Länderspielen teilzunehmen. Wir müssen aufpassen, dass die Nationalmannschaft nicht ein Kreis aus Spielern wird, die es sich finanziell leisten können. Statt dessen sollten es die absoluten Topspieler Deutschlands sein. Unabhängig vom sozialen und finanziellen Hintergrund.
Ist das ein Systemfehler?
Ohne die genauen Strukturen und Ideen des Vorstands zu kennen – da sind wir übrigens wieder beim Thema Kommunikation – würde ich behaupten, dass bei Floorball Deutschland die Vision fehlt, wo die Entwicklung in fünf bis sechs Jahren hingehen soll. Auch aufgrund der geringen Personaldecke ist leider nur zu viel Tagesgeschäft möglich. Deswegen wünsche ich mir vom Vorstand eine klar festgelegte und kommuzierte Strategie, die nicht vollkommen abhängig von bestimmten Personalien und deren Entscheidungen ist. Durch eine Reduzierung auf kleinere Teilziele lassen sich sicher mehr engagierte Leute finden, Teilerfolge können reflektiert und vermarktet werden. Und allen voran haben wir einen Plan, an dem konstruktiv gearbeitet werden kann. So etwas würde auch zu weniger Spannungen zwischen Vorstand und seinen meist ehrenamtlichen Helfern führen. Und am Ende würde jeder davon profitieren.