Die Coronakrise hatte eigentlich Zeit für neue Projekte geschaffen. Eines davon sollte ein Bundesliga-Livestream sein, um die Sportart im Netz präsenter zu machen und den ZuschauerInnen, trotz der für die Öffentlichkeit gesperrter Hallen, Zugriff auf ihre Teams zu ermöglichen. Auch ein Lakmustest für die Zusammenarbeit zwischen Verband und Vereinen – bislang mit ernüchterndem Ergebnis.
Schon wieder dicke Luft? Vergangene Woche veröffentlichte der Dachverband auf seiner Website den Artikel „Livestream in der 1. FBL kommt schleppend voran“. Darin gestand Vorstandsmitglied Frederik Garre, dass ihm der bisherige Fortschritt und die „geringe Vereinsteilnahme ohne Rückmeldung und das damit verbundene Desinteresse seitens der Vereine für dieses wichtige Thema Sorgen bereite“. Nachdem im ersten Meeting alle Vereine vertreten waren, kamen bei den drei weiteren Terminen nämlich gerade mal sechs zusammen. Eine schwache Leistung.
Die Reaktion folgte prompt. André Mühle, Vertreter des MFBC, monierte beispielsweise, dass man nicht den öffentlichen Weg habe gehen sollen, ohne diesen Schritt mit den teilnehmenden Vereinen abgestimmt zu haben. Außerdem habe es zum wiederholten Mal kein Protokoll des vorherigen Treffens gegeben, viele Details seien immer noch nicht geklärt und auch die zu Beginn angestrebte Arbeitsgruppe, die sich mit der Umsetzung des Livestream-Projekts befassen sollte, würde es noch nicht geben.
Die Wahrheit ist eine Summe beider Aussagen. Es war tatsächlich enttäuschend, wie blutleer sich einige Vereine zum Thema positioniert haben. In einer Zeit, in der es leichter denn je sein sollte, seine/n Vertreter/in zu einer Telko zu schicken, schien gerade mal die Hälfte der Vereine interessiert oder eben fähig genug zu sein, ein zentrales Thema der Bundesliga-Vermarktung mitzugestalten. Im selben Zug muss aber festgehalten werden, dass die Kommunikation seitens des Verbandes mit den teilnehmenden Teams, inklusive der Dokumentation des bereits erfolgten Fortschritts dürftig war. Noch ist aber nicht alles verloren.
Freiwillige Generalprobe
Der Dachverband will in der kommenden Saison auf einen verbindlichen Livestream verzichten, die Vereine sollen aber ihren Möglichkeiten entsprechend an einem Pilotprojekt mitwirken. Garre und sein Team favorisieren dabei die Plattform Sportdeutschland.TV. Deren Vertreter Julian Rauer stellte in der vierten Sitzung der Livestream-Meetings das Angebot vor und ging auch auf diverse Sorgen ein. Beispielsweise bestand Sportdeutschland.TV lange auf sechs Minuten Eigenwerbung pro Stunde zur Eigenfinanzierung der Plattform. Die sollen nun auf drei reduziert werden. Außerdem hat man noch weitere technische Verbesserungen versprochen. Denn die sind auch bitter nötig.
Beim Dachverband spricht vieles für Sportdeutschland.TV und auch die Haltung der Vereine ist mittlerweile eher positiv. Zunächst einmal ist der Aufwand verhältnismäßig gering. Es muss keine neue Plattform aufgesetzt werden, alle Videos werden zentral gebündelt und die technische Unterstützung ist individualisiert. Hinzu kommt, dass es sich auch um ein Politikum handelt. Sportdeutschland.TV ist ein Instrument des DOSB. Und je mehr der Floorball-Verband auf dessen Kanälen zu sehen ist, je mehr er an dessen Projekten „mitmacht“, desto positiver könnte sich die Partnerschaft entwickeln.
Die interessanteste und realistischste Alternative wäre ansonsten Twitch gewesen. Längst wendet sich der Streamingdienst nicht mehr ausschließlich Gamern zu, sucht statt dessen immer öfter den Kontakt in die Sportszene. Besonders interessant ist die dort anwesende Zielgruppe, überwiegend Jugendliche, die nicht gezielt Videos aufsuchen müssen, sondern im Zweifel organisch tausendfach über Floorball „stolpern“ könnten. Außerdem spielt die Plattform technisch eine andere Liga – optimierte Schnittstellen, flexible Einbettung, einfache Chat- und Abo-Funktion etc. Eigenschaften, die Sportdeutschland.TV wenn, dann vermutlich nur teilweise wird aufholen können.
Im selben Zug würde Twitch aber aktuell keinen zentralen Kanal ermöglichen. Die Vereine müssten ihre eigenen Profile aufsetzen und pflegen. Der Dachverband müsste alle Videos dann auf einer eigenen Seite bündeln. Ein Mehraufwand, den aktuell vermutlich niemand stemmen möchte. Sportdeutschland.TV wird somit aktuell als Pilot-Plattform bevorzugt und ab 21/22 vermutlich auch verpflichtend eingeführt. Zwar ist sie nicht eindeutig die bessere Lösung, aber wahrscheinlich auch kein Fehler. Zumal es kein Problem sein sollte, mit der Zeit auf eine andere Plattform umzusteigen, sollte es sich denn anbieten.
Zum Glück gezwungen
Das Verhältnis zwischen Verband und Vereinen ist nun zwar etwas angespannt, aber keineswegs festgefahren. Der demokratische Diskurs der vergangenen Monate war gut gemeint, hat aber scheinbar viele überfordert. Praktisch gedacht, auch mit Rücksicht auf die Enge der Zeit, sollte der Verband jetzt – sicher die an den vergangenen Meetings geäußerten Meinung und Wünsche bedenkend – das Heft in die Hand nehmen, entscheiden und machen. Wer bislang nicht dabei war, hat eben Pech. Zeitnah wird ein Leitfaden benötigt, der alles Wesentliche zusammenfasst. Wie genau wird was gemacht? Was wird von den freiwillig teilnehmenden Vereinen gefordert? Wie kann ein Livestream mit Mindestaufwand technisch umgesetzt werden?
Die Vereine sollten sich dann bemühen, einer solchen Weisung nachzukommen. Und wer es nicht tut, sollte erklären, weshalb er verzichtet, welche Alternativen er vorschlägt, welche Probleme zu lösen sind. Tatsächlich kann es technische Herausforderungen geben, die gemeinsam bewältigt werden müssen. Vereine, für die es trotz Internetanschluss lediglich vom Aufwand her zu anstrengend ist, eine Person mit Handy und Stativ auf die Tribüne zu platzieren, sollten sich überlegen, ob sie in der 1. Bundesliga richtig aufgehoben sind. Der Verband muss die Umsetzung des Livestreams in einer späteren Phase – so wie viele andere Instrumente der Professionalisierung – direkt ans Startrecht koppeln. Zu manchem Glück muss man sich eben zwingen.
Wie geht’s weiter?
Obwohl die Planung bislang sicher verbesserungsfähig war, darf und muss der Verband also jetzt Entscheidungen fällen. Die Vereine, gedacht als ein Gebilde, verhalten sich noch zu desinteressiert, zu zersplittert. Vielleicht braucht es auch deshalb erst einmal ein existierendes, greifbares Instrument, das im Anschluss optimiert wird. Erste Erfahrungen werden gesammelt. Die gewünschte Arbeitsgruppe kann nun mit noch mehr Geduld aufgebaut werden.
Für die Zukunft sollte man aber gemeinsam gelernt haben. Das Miteinbeziehen der Vereine war wichtig. Es muss aber auf eine einfachere, agilere aber auch verbindlichere Weise passieren. So hat man einen ganzen Coronasommer den Ball von links nach rechts gespielt und versucht noch kurz vor Spielende aufs Tor zu schießen. Neben dynamischeren Arbeitsweisen müssen die Vereine aber endlich einen Weg finden, den mittlerweile berüchtigten Bundesligarat wiederzubeleben. Sonst soll und muss der Verband noch öfter alleine Tatsachen schaffen. Ebenso darf er aber das Vorhandensein einer Livestream-Playlist auf Sportdeutschland.TV nicht mit der zentralen Bundesliga-Plattform verwechseln – mit News, Ergebnissen, Ansetzung etc. – die ein vermarktbarer Wettbewerb dringend braucht.
Natürlich darf der Livestream nicht überschätzt werden. Er wird alleine als lose Maßnahme auch nur wenig Nutzen liefern, wird zunächst nur ein Ersatz für Fans sein, die Corona nicht in die Halle lässt. Langfristig wird die Videoübertragung der Liga aber Quelle wichtiger Inhalte sein. Sie wird die Vermarktung des Wettbewerbs erleichtern und helfen, jene Geschichten zu erzählen, die es sonst nicht über die Grenzen eines Landkreises schaffen. Es sollte somit unser aller Ziel sein, gemeinsam einen ersten Schritt zu machen.