Kopfsache

Vor einigen Monaten haben wir euch aufgerufen an einer Umfrage teilzunehmen, um Nationalspielerin Lena Best bei ihrer Bachelorarbeit zu unterstützen. Jetzt ist es soweit und Lena hat Ergebnisse ihrer Arbeit vorliegen. Diese hat sie jetzt für euch in einem Gastbeitrag aufbereitet. Also lasst uns eintauchen in die Psyche von Floorballspieler:innen.

Floorball in der Persönlichkeitsforschung

Mein Name ist Lena Best, ich bin Psychologie-Studentin im Bachelor an der Ruhr-Universität Bochum und Floorball-Nationalspielerin. In meiner Bachelorarbeit habe ich die Möglichkeit bekommen meine beiden Leidenschaften zu verbinden und so ist eine Arbeit zum Thema „Persönlichkeitsunterschiede zwischen Spitzen- und Amateur-Floorballspieler:innen in Abhängigkeit von der Spielerposition“ entstanden. Einige von euch haben an meiner Online-Umfrage teilgenommen (an dieser Stelle nochmals vielen Dank!) und daher dachte ich mir, dass es toll wäre, euch auch an den Ergebnissen teilhaben zu lassen. Am Lehrstuhl für Psychologische Methodenlehre an der Ruhr-Universität Bochum wird Floorball seit geraumer Zeit mituntersucht, wenn es darum geht psychologische Phänomene im Sport zu betrachten und die Floorball-Community hat bislang immer sehr fleißig bei der Datensammlung geholfen, sodass einige interessante Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Ich berichte in diesem Artikel hauptsächlich von den Ergebnissen meiner Arbeit, gehe aber auch kurz auf weitere Floorball-Forschung am Lehrstuhl ein.

@lenaaa0503

Alter: 22 Jahre
Verein: Dümptener Füchse
Nationalität: Deutsch
Position: Forward
Ausleger: Links

Was habe ich untersucht?

Mich interessierten verschiedene psychologische Merkmale, von denen ich angenommen habe, dass sie bei Spitzensportler:innen anders ausgeprägt sein müssten als bei Amateursportler*innen. Denn während physiologische Merkmale, die mit Leistungsunterschieden in Verbindung stehen, bereits in zahlreichen Sportarten vielfältig untersucht worden sind, sind psychologische Faktoren oftmals noch weniger erforscht. Und das obwohl im Sportalltag Siege und Niederlagen häufig auf mentale Aspekte zurückgeführt werden: Wie oft liest man nicht von einem absoluten Willenssieg oder dass beim Verlierer im entscheidenden Moment die Nerven versagt haben?

Wenn manche psychologischen Merkmale tatsächlich mit Erfolg im Sport zusammenhängen, müssten diese Merkmale dementsprechend bei den erfolgreichen Sportler:innen stärker ausgeprägt sein als bei den weniger erfolgreichen. Es gibt sehr viele psychologische Merkmale, die dafür in Frage kommen. In dieser Arbeit konkret habe ich mir die Big Five, die das gängigste Modell zur Beschreibung von Persönlichkeitsunterschieden darstellen, mentale Stärke und Grit (Beharrlichkeit und Leidenschaft, mit der langfristige Ziele anstrebt werden) angeschaut.

Meine Stichprobe bestand aus 479 Floorballspieler:innen aus insgesamt 31 Ländern. 135 der Teilnehmer:innen konnte ich als Spitzenspieler:innen klassifizieren, da sie angegeben hatten Nationalspieler:innen oder Spieler*innen der ersten Ligen der Top-4-Nationen Schweden, Finnland, Tschechien und Schweiz zu sein.

Die Big Five – Ist Spitzensport eine Frage der Persönlichkeit?

Die Persönlichkeit beschreibt wie eine Person typischerweise ist, es geht also um stabile Tendenzen im Denken, Fühlen und Handeln. Solche Tendenzen können durch verschiedene Persönlichkeitseigenschaften beschrieben werden, zum Beispiel durch die sogenannten Big Five: Gewissenhaftigkeit (Tendenz zu langfristigem Planen, Selbstdisziplin und Fleiß), Extraversion (Tendenz zu Geselligkeit, Dominanz und Frohsinn), Offenheit für neue Erfahrungen (Tendenz zu Beschäftigung mit tiefsinnigen und schöngeistigen Themen), Verträglichkeit (Tendenz zur Freundlichkeit und Harmonie) und negative Emotionalität (Tendenz zu Ängstlichkeit und Nervosität).

Ist Spitzensport tatsächlich eine Frage der Persönlichkeit? Meine Studie hat gezeigt, dass Spitzen-Floorballspieler:innen gewissenhafter und extravertierter sind als Amateur-Floorballspieler:innen. Da Erfolg im Sport ohne langfristige Disziplin und viel Fleiß unerreichbar ist und auch Geselligkeit im Teamsport ein wichtiger Einflussfaktor ist, macht es Sinn, dass diese Eigenschaften für Spitzenathlet:innen im Floorball von Bedeutung sind. Für die anderen drei Persönlichkeitseigenschaften konnte ich jedoch keine Unterschiede finden. Spitzen-Floorballspieler:innen sind also nicht verträglicher oder emotional stabiler als Amateur-Floorballspieler:innen und unterscheiden sich auch nicht in der Offenheit für neue Erfahrungen.

Mentale Stärke – eine Eigenschaft die Spitzensportler*innen auszeichnet?

Mentale Stärke beschreibt die Fähigkeit trotz Herausforderungen und Stressfaktoren subjektiv und objektiv hohe Leistungen zu vollbringen. Diese Eigenschaft könnte besonders wichtig sein, wenn es darum geht in entscheidenden Momenten, z.B. in den letzten Minuten eines knappen Spiels, erfolgreich zu sein. In meiner Stichprobe ließen sich allerdings keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen finden: Spitzenspieler:innen waren also nicht mental stärker als Amateurspieler:innen.

Grit: Beharrlichkeit und Leidenschaft für langfristige Ziele – Voraussetzung für eine Sportkarriere?

Im Spitzensport gibt es viele langfristige Ziele (z.B. Meisterschaft gewinnen nach einer langen Saison) und ganz allgemein ist der Weg in den Spitzensport ebenfalls eine langfristige Angelegenheit (jahrelanges hartes Training). Eine Persönlichkeitseigenschaft, die hier relevant sein könnte, ist Grit, also die Beharrlichkeit und Leidenschaft, mit der langfristige Ziele anstrebt werden. Und tatsächlich: Spitzen-Floorballspieler:innen hatten in meiner Stichprobe höhere Werte auf der Grit-Variablen als Amateur:innen.

Goalie oder Center- eine Frage der Persönlichkeit?

Verschiedene Spielerpositionen erfordern verschiedene Verhaltensweisen. Am besten lässt sich dies anhand des Beispiels Torhüter:in vs. Angreifer:in verdeutlichen. Torhüter:innen haben im Floorball keinen Schläger und verfolgen das primäre Ziel den Ball aus dem eigenen „Kasten“ fernzuhalten, während Angreifer:innen mit dem Schläger versuchen, den Ball im gegnerischen Tor „unterzubringen“. Das sind zwei sehr unterschiedliche Aufgaben, die vielleicht auch unterschiedliche psychologische Fähigkeiten erfordern. Könnten Spieler:innen aufgrund Ihrer Persönlichkeit besser für eine bestimmte Position geeignet sein? Gibt es also vielleicht spezifisch für bestimmte Positionen noch weitere Unterschiede zwischen Spitzen-Floorballer:innen und Amateur:innen? Auf diese Frage gibt es bisher kaum befriedigende Antworten in der Forschung. Um eine erste Antwort zu liefern, habe ich in meiner Bachelorarbeit Spitzen-Floorballer:innen und Amateur:innen in Abhängigkeit der Spielerposition untersucht, also zum Beispiel Spitzen-Torhüter:innen mit Amateur-Torhüter:innen oder Spitzenverteidiger:innen mit Amateur-Verteidiger:innen in den Big Five, mentaler Stärke und Grit verglichen. Insgesamt gab es hier sehr wenige Befunde, lediglich einer der Vergleiche wies auf einen bedeutsamen Unterschied hin:  Amateur-Verteidiger:innen waren mental stärker als Spitzen-Verteidiger:innen. Das ist ein kontraintuitiver Befund, der viele Fragen offenlässt und vermutlich auf Verzerrungen in der Stichprobe zurückzuführen ist (z.B. ungleiche Geschlechterverteilung in der Spitzen- und Amateurgruppe). Hier ist weitere Forschung erforderlich.

Zusammengefasst ergab meine Bachelorarbeit somit, dass Spitzen-Floorballspieler:innen gewissenhafter und extravertierter sind und mehr Grit aufweisen als Amateur-Floorballspieler:innen. Spitzenathlet:innen zeichnen sich also durch Eigenschaften aus, die bei Amateur:innen weniger stark ausgeprägt sind. Ob diese Eigenschaften Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sportkarriere sind oder entstehen, indem sportlicher Erfolg gelebt wird, lässt sich durch mein Studiendesign nicht belegen. Es ist zudem noch viel weitere Forschung nötig, um Indikationen für die Talentsuche und -förderung ableiten zu können.

Bist du neugierig, ob du die psychischen Voraussetzungen hast, um Spitzenfloorball-Spieler:in zu sein? Falls noch nicht geschehen, kannst du noch immer an meiner Online-Befragung teilnehmen. Im Anschluss erhältst du Persönlichkeitsprofil der Big Five Dimensionen, du kannst also sehen, wie gewissenhaft, extravertiert, offen, verträglich und emotional stabil du bist.

Weitere Forschung im Floorball-Bereich

Wie bereits erwähnt war meine Arbeit nicht die erste am Lehrstuhl für Psychologische Methodenlehre der Ruhr-Universität, die Floorball in die Forschung integriert hat. Anfang 2020 bis Anfang 2021 führten Sarah Kritzler und Sophia Terwiel eine großangelegte Studie mit 24 Teamsportarten und einer Vielzahl an psychologischen Variablen durch. Dabei war Floorball eine der Sportarten mit den meisten Teilnehmer:innen in der Studie. Aus diesen Daten entstehen zurzeit mehrere wissenschaftliche Artikel. Bereits veröffentlicht wurde eine Analyse der Unterschiede in den Big Five zwischen Athlet:innen verschiedener Sportarten, zwischen Offensiv- und Defensivspieler:innen über verschiedene Sportarten hinweg und zwischen Spieler:innen verschiedener Spielerpositionen innerhalb einer Sportart. Im Floorball konnte dabei zum Beispiel gefunden werden, dass Center durchschnittlich extravertierter sind als Verteidiger:innen.
Unter anderem entstand zudem ein typisches Persönlichkeitsprofil für jede Spielerposition. Hier beispielhaft die Darstellung des typischen Persönlichkeitsprofils eines Floorball-Centers:

Falls euch dieses Thema näher interessiert, lässt sich der Artikel hier kostenlos abrufen.

Ich hoffe euch hat der kleine Einblick in die psychologische Forschung im Floorball gefallen. Falls ihr noch mehr wissen möchtet, schreibt mir gerne eine E-Mail an anna-lena.best@ruhr-uni-bochum.de. Weitere Einblicke in die aktuellen Forschung in der Persönlichkeitspsychologie in Bochum findet ihr außerdem auf Facebook, Instagram, und Twitter.