Performance trifft Nachhaltigkeit

Es geschieht nicht oft, dass jemand aus der deutschen Floorballszene, seine eigene Sportmarke gründet. Noch seltener, dass er mit ihr die ganze Industrie umkrempeln möchte. Die Wahl-Berliner Jan Kratochvil und Marek Brincil haben mit WINQS aber genau das vor. Sportartikel sollen radikal ökologischer werden.

Floorballmag: Jan, der Sport hat ein Problem, das viele nicht sehen wollen. Welches?

Jan Kratochvil: Die Sportartikel-Industrie stellt seit über fünf Jahrzehnten ihre Produkte nach demselben Prinzip her. Erdöl-basierte Kunststoffe sind die eierlegende Wollmilchsau aus der man alles herstellt – schnell, funktional und billig. Dazu kommen noch Dinge wie eine wahnsinnige Überproduktion oder die Abwesenheit jeglicher Verantwortung für die verursachten CO2-Emissionen.

Sport ist also ein Klima-Killer?

Wenn man alles zusammenrechnet, kann man das überspitzt so sagen, ja. Wir wollen zumindest die Hersteller-Industrie herausfordern, es besser zu machen.

Und was macht Ihr anders?

Wir sind die erste Sportmarke der Welt, die konsequent alle ihre Schuhe, Textilien und sämtliches Zubehör mit pflanzen-basierten oder recycelten Materialen herstellt und ihren CO2-Ausstoß dabei zertifiziert reduziert und ausgleicht.

Du hattest über zehn Jahre lang für die auch im Floorball bekannte Marke Salming gearbeitet. Also warst Du eigentlich selbst Teil des Problems, oder?

Absolut. Ohne Frage. Diese Zeit war aber auch hilfreich, um Abläufe zu lernen und die Dinge klarer zu sehen. Und jetzt können wir es eben selber besser machen. Sport kann da übrigens sehr tückisch… oder besser gesagt, sehr verführerisch sein.

Inwiefern?

Man kann nichts wirklich Böses anstellen, wenn man Sport treibt, oder? Zumindest denkt man das. Im Sport ist es einfach, den Bedarf für ein neues Produkt mit einer vermeintlich besseren Funktion zu begründen. Und weil es im Sport so viele schöne bunte Geschichten und Persönlichkeiten gibt, hinterfragt man gar nicht mehr, ob ein Produkt überhaupt nötig ist, geschweige denn, woraus es hergestellt wurde. Man will seine Leistung verbessern und Teil der Geschichten sein – auch wenn beides Illusionen sind.

Gehen wir einen Schritt zurück. Wie kam es zu der Idee, Winqs zu gründen?

Wenn man sich mit offenen Augen durch die Sportartikel-Industrie bewegt, sieht man, dass praktisch alle Sportmarken krampfhaft nach Wegen suchen, sich einen grünen Anstrich zu geben. In Wirklichkeit ändert sich aber fast nichts. Vielleicht gibt es ein paar sehr laute Kampagnen zu sehr kleinen Sonderkollektionen, der überwältigende Rest des Portfolios wird aber weiter aus konventionellem Plastik hergestellt. Also hatte ich vor etwas über eineinhalb Jahren angefangen, zu prüfen, ob man das alles nicht anders machen könnte.

Mitten in der Pandemie?

Ja, das Timing hätte besser sein können. Zwei Wochen nachdem ich bei Salming gekündigt hatte, ging die Pandemie richtig los. Da bin ich kurz nervös geworden. Aber es war nicht anders gegangen. Außerdem hatte diese Scheißzeit auch ein paar Vorteile. Große Partner wie Arkema oder Michelin, die viel Know-How mitreingebracht haben, hatten zwischenzeitlich weniger zu tun und waren bereit gewesen, sich unsere Idee anzuhören.

Sport-Textilien aus nachhaltigen Materialien und nicht aus Polyester //Foto: Winqs

Und wann kam Marek Brincil dazu? Ihr wart ja nicht nur Mitspieler, sondern hattet zusammen gearbeitet. Marek ist sogar dein Trauzeuge gewesen.

Richtig. Es wirkt ein bisschen wir eine alte Ehe. Das Schicksal will es nicht anders. Jedenfalls war Marek am Anfang noch etwas skeptisch gewesen. Außerdem war seine Freundin schwanger. Dann kam Corona. Dazu trug er bei Salming als Geschäftsführer mehr Verantwortung. Und natürlich mussten wir alles sauber trennen. Also hatten wir uns abgesprochen, dass ich erst die Vorarbeit leiste und wir sehen, ob es so klappen kann. Und es hat geklappt.

Ihr stellt plastikfreies Funktionstextil her, Sporttaschen aus Ozean-Müll und sogar Laufschuhe mit biobasierten und recycelten Stoffen. Was war die größte Herausforderung?

Oft sind es Kleinigkeiten, an denen man länger feilt als man dachte. Uns war von Anfang an klar, dass das Projekt nur dann funktionieren wird, wenn unsere Produkte mindestens gleich gut oder dank der natürlichen Stoffe sogar besser sind als das konventionelle Material. Unser Textil aus Holzfasern muss also Temperatur und Feuchtigkeit ebenso gut regulieren wie Polyester. Dazu ist es aber viel angenehmer zu tragen. Das komplexeste Produkt ist aber sicher unser Laufschuh Zerofly. Da ging es darum, nicht den nächsten Öko-Sneaker im Sport-Look herzustellen, sondern einen echten Spitzenlaufschuh – leicht, gedämpft aber mit einem minimalen Anteil an konventionellem Kunststoff.

Ganz einfach gefragt, was ist schlecht an Plastik als Textilmaterial? Es lässt sich heute doch ganz gut recyceln?

Vieles. Plastik allgemein wird aus Erdöl gefertigt. Seine Herstellung ist extrem energieintensiv und ein Produkt mal durch ist, zerlegt es sich nicht selbst, sondern landet meist entweder in Verbrennungsanlagen oder auf Müllhalden… oft dann auch in der freien Natur. Ein spezielles Problem von Sportswear is, dass sich bei jedem Waschgang tausende Mikroplastikteilchen lösen, die kein Filter abfängt und die im Wassersystem und dadurch auch in Milliarden von Lebewesen landen. Das WWF hat herausgerechnet, dass wir deswegen jede Woche im Schnitt fünf Gramm Plastik zu uns nehmen. Also etwa eine Kreditkarte.

Und natürliche Materialen machen einen Unterschied?

Material ist nur einer von fünf Themenkreisen. Hinzu kommen noch Produktion, Kreislaufwirtschaft, Klima und finanzielle Verantwortung. Das muss alles ineinandergreifen. Wer sich nur mit einem davon als nachhaltig brüstet, bewegt sich sehr nah am Greenwashing.

Wie funktioniert Kreislaufwirtschaft bei Sportartikeln?

Bislang tatsächlich sehr schlecht. Deshalb arbeiten wir mit den drei Begriffen Repair, Reuse und Recycle. Unsere Reparatur-Partner verfügen über Original-Einzelteile und können den Lebenszyklus unserer Produkte verlängern. Wir haben auch eine offizielle Kooperation mit Oxfam, die neuwertige Gebraucht- oder B-Ware übernehmen. Sie landet also nicht in Billig-Outlets oder wird verbrannt. Außerdem nehmen wir alle Produkte am Ende ihres Lebens wieder zurück und kümmern uns um eine umweltbewusste Wiederverwertung oder Entsorgung. Unser Textil ist biologisch abbaubar, also voll zirkular. Schuhe brauchen etwas mehr Zuwendung.

Der Sportschuh von Winqs: Zerofly //Foto: Winqs

Aber warum schwenken die anderen Marken dann nicht auch um?

Dafür gibt es viele Gründe. Hauptsächlich Geld. Zunächst einmal würden ihre Erträge im Vergleich zum bisherigen Modell um gut 15, 20 oder sogar mehr Prozent sinken. Unsere Textilien, Schuhe oder Taschen kosten aufgrund der nachhaltigeren Materialien zwei- bis viermal soviel wie vergleichbare Produkte. Auch die Anpassung der Produktionsprozesse, die Reduktion und Kompensation von CO2-Emmissionen oder die Installation eines Kreislauf-Programms – das sind alles Dinge die Geld kosten, auf das die Marken entweder nicht verzichten wollen oder es oft gar nicht haben, weil ihnen die Marge fehlt.

Oder sie könnten die Produkte teurer machen.

Nicht wirklich. Im Sport ist man sehr preissensibel. Zwar auf einem hohen Niveau, aber es wird immer verglichen. Das Internet hat das noch vereinfacht. Bestimmte Produkttypen haben außerdem ihre Preisklassen. Wenn man diese überschreitet, fällt der Absatz schnell ab, so dass man gar nichts produzieren kann. Leider ist das bei nachhaltigen Produkten nur bedingt anders.

Und wieso könnt Ihr es euch leisten?

Unser Vertrieb ist deutlich direkter ausgerichtet. Das bedeutet, dass ein größerer Teil der Produkte von uns direkt an die KundInnen verkauft wird, ohne zu viele Distributeure oder Zwischenhändler. Dadurch bleibt mehr übrig, um die Produkte nachhaltiger herzustellen. Die meisten etablierten Marken schleppen ihr über viele Jahrzehnte aufgebautes Händler- und Distributorennetz mit. Wenn man neu anfängt, kann man es sich heute etwas anders stricken. Das ist ein Vorteil.

Was viele LeserInnen wohl besonders interessiert ist, wann es Winqs Floorball-Schläger geben wird.

Ich glaube, das wird noch dauern (lacht). Wir müssen erstmal dort die ersten Schritte ansetzen, wo man früh den größten Unterschied machen kann. Aber ich glaube, das sind Produkte die auch Floorballerinnen und Floorballern zu Gute kommen. Die meisten von uns gehen laufen oder ins Fitness-Studio. Warum also nicht lieber pflanzen- als erdöl-basierte Textilien tragen, wenn sie besser sind? Übrigens arbeiten wir auch an einer plastikfreien Trikot-Kollektion und in den nächsten Monaten werden immer wieder neue Produkte veröffentlicht, die auch Floorballer:innen gefallen dürften.

Aber ließe sich Floorball überhaupt nachhaltiger oder zumindest ökologischer machen?

Natürlich. Klar gibt es Dinge, die einfacher und andere, die schwieriger sind. Die Ausrüstung ist schonmal eine große Herausforderung. Carbon-Schläger, Glasfaser-Banden, Gummi-Böden, Plastik-Bälle. Natürlich kann man Polyester-Textilien zum Teil mit nachhaltigeren Alternativen ersetzen. Aber das meiste lässt sich schwer ändern, ohne direkt ins Spiel einzugreifen. Trotzdem sollte man von den Herstellern eine größere Verantwortung einfordern. Größtenteils wird es aber eher ums Haushalten als solches gehen. Ich fand es früher auch spitze, jede Saison frische Trikots zu bekommen. Aber muss das sein? Und wie wird die alte Ausrüstung verwertet? Wie reisen wir zu Spielen an? Wie gestalten wir Wettbewerbe? Und wie statten wir Events aus? Wie gut kennen wir unseren CO2-Fußabdruck? Können wir ihn reduzieren und danach auch sinnvoll kompensieren?

Könnte sich Floorball so auch ein Alleinstellungsmerkmal schaffen?

Sicherlich. Das sollte es sogar. Aus ökologischer aber auch aus strategischer Sicht. Unsere Zielgruppe ist sehr jung und hat großes Interesse an Nachhaltigkeit. Wenn sie dann mitbekommt, dass sich in der Gegend eine Sportart ganz besonders für nachhaltige Themen einsetzt, gibt man ihr vielleicht eher eine Chance. Dann hat man etwas gutes für unseren Planeten getan und die Sportart vorangebracht.

Wie kann man euch unterstützen, damit Winqs richtig abgeht?

Im Oktober schlagen die ersten Produkte bei winqssports.com auf. Und wer es wirklich ernst meint, kann über Kickstarter unseren Laufschuh vorbestellen. Von letzteren Einnahmen geben wir übrigens 15 % ans Floorballmag ab, um dessen Betrieb zu unterstützen. Kostenlos aber trotzdem hilfreich wäre dann uns zumindest in den Sozialen Medien zu folgen und uns dabei zu helfen, unsere Botschaft zu verbreiten.

Disclaimer: Dieser Artikel wurde in Zusammenhang mit einer bezahlten Kampagne veröffentlicht.