Wenn der Spieltag und die Deadline mal wieder kollidieren. Jede:r Floorballspieler:in kennt diesen Moment. In Deutschland ist Floorball Amateursport. Verständnis oder Rücksicht vom Arbeitgeber? Oftmals Fehlanzeige. Ich weiß das. Diese tolle Sportart hat als Bundesligatorwart (2006 – 2019) und U19-Nationalspieler (2006-2007) jahrelang sehr viel Zeit und Kraft in meinem Leben in Anspruch genommen. Im Laufe der Jahre findet man jedoch Wege, um besser mit der Situation und den darin enthaltenen Herausforderungen umzugehen. Viele dieser Erkenntnisse hätten mir bereits in den ersten Saisons sehr geholfen. Mit dem Querspagat aus Beruf, Bildung und Sport bin ich jedoch nicht alleine. Daher habe ich diesen Text verfasst. Ein Gastbeitrag von Felix Klein.
Die Ausgangssituation: Viel Sport, wenig Anerkennung
Die Probleme beginnen beim Floorball bereits früh. Als junge:r Spieler:in mit fehlender Erfahrung im Erwachsenenbereich trainiert man drei Mal die Woche mit der ersten Mannschaft, nur um am Wochenende stundenlang quer durch die Republik zu reisen und am Ende auf der Bank oder gar auf der Tribüne zu sitzen. Die fehlende Spielpraxis muss man mithilfe von Doppellizenzen in der Regionalliga oder 2.Bundesliga bei fremden Teams sammeln. Die Folge ist, dass man auch noch bei diesen Mannschaften mehrere Trainings in der Woche zusätzlich besucht und die Wochenenden immer stets mit mehreren Heim- und Auswärtsspielen gefüllt sind.
Innerhalb der Familie und im Freundeskreis fehlt oft die Anerkennung . Zu unbekannt die Sportart, zu abweichend die Vorstellungen von der Realität innerhalb einer Nische, zu gering die berufliche Perspektive.
Das Problem: Steigende Erwartungen, weniger Zeit
Mit zunehmenden Alter wächst zwar die Erfahrung und die Spielzeit in den oberen Ligen nimmt zu, jedoch auch die Arbeitszeiten und Anforderungen der Gesellschaft an einen selbst. Die Freiheiten, die man als Schüler:in vielleicht noch genossen hat, nehmen spürbar ab. Das abendliche Training kollidiert auf einmal nicht mehr nur mit prokrastinierten Hausaufgaben, sondern mit fixen Spätschichten.
Die Freizeit schrumpft auf ein Minimum, die Anzahl der Ligen- und Pokalspiele ändern sich jedoch nicht. Will man sich verbessern oder das Spielniveau zumindest halten, muss man Wege finden, um mit den unterschiedlichen Tasks zu jonglieren.
Doch wie schafft man es die unterschiedlichen Erwartungen unter einen Hut zu bekommen?
Hierfür gibt es kein Patentrezept und ich habe mit Sicherheit nicht alleine die Weisheit mit Löffeln gefressen. Doch im Laufe der Jahre entwickelt jede:r für sich persönlich einen Weg, um damit umzugehen. Da ich in meiner Zeit als Floorballspieler keine passenden Tipps finden konnte, möchte ich im folgenden Abschnitt anderen Spieler:innen eine erste Orientierung bieten, basierend auf meinen mühsam zusammengetragenen, eigenen Erfahrungen.
Mir hat dieser Weg geholfen, um neben der 1.Bundesliga und der U19-Nationalmannschaft zwei Ausbildungen, mein Bachelor- und Master-Studium, mehrere Festanstellungen und schlussendlich auch die eigene Selbstständigkeit (www.framekollektiv.de) umzusetzen.
Das Leben besteht aus Blöcken
Stellen wir uns einen typischen Kalender mit Zeiteinheiten vor. Im ersten Schritt füllen wir diesen imaginären Kalender mit den Arbeitszeiten, Kursen, Trainings und Spieltagen. Wir merken: Die frei verfügbaren Zeitflächen, die noch übrig bleiben, sind bereits jetzt relativ rar und im Worst Case gibt es hier bereits unerwünschte Überschneidungen. In diesem Fall können wir uns auf einem kleinen Extrazettel schon einmal notieren, dass es einen präventiven Klärungsbedarf mit unseren Trainer:innen und Arbeitgeber:innen geben muss, um die Art des Umgangs damit zu definieren. So können Enttäuschungen frühzeitig vermieden werden.
Durch Absprachen lassen sich zwar einzelne Elemente verschieben, jedoch handelt es sich bei diesen Begebenheiten zum größten Teil um Fixpunkte. Und betrachtet man den Kalender genauer, fällt einem auf: Alle bereits eingetragenen Termine (mit Zeitangaben) sind kleine Blöcke.
Der spannende Punkt sind nicht die erst einmal fix erscheinenden Rahmenbedingungen, sondern die noch freiliegenden Zwischenräume. Hier verbirgt sich nämlich die Möglichkeit zu optimieren, Effizienzsteigerungen zu erzeugen und ganz wichtig: Erholungsphasen einzuplanen. Denn ohne die benötigte Energie lässt sich auf Dauer keine Leistung erzielen. Weder auf noch neben dem Feld. Hier muss also eine möglichst gute Balance erzeugt werden.
Willkommen auf der Spielfläche, die sich formen lässt.
Die Ampel als Orientierung
Nun gut. Bis hierhin gibt es noch keinen Aha-Moment. Es ist immer noch ein simpler Kalender mit Terminen, den man bereits kennt. Und jede:r, der oder die schon einmal versucht hat, das Leben besser zu strukturieren, kennt den Feind schon, der nun kommt: Die Gefahr der Prokrastination. Nervige Aufgaben lassen sich einfach viel zu leicht verschieben. Immer und immer wieder. Bis die Deadline gefährlich nahe rückt. Ging mir genauso. Bis ich irgendwann mein eigenes Ampelsystem im Kalender etabliert habe, um hier mehr Kontrolle zu erlangen.
Wie die Ampel funktioniert:
Die normale Ampel besteht aus drei Phasen: Grün, Gelb und Rot. Auch Tasks lassen sich in mehrere Phasen bezüglich ihrer Dringlichkeit unterteilen: Flexibel, dringend, Deadline.
Grün = Flexibel
Gelb = Dringend
Rot = Deadline
Um mehr Kontrolle über mich selbst und meinen vollen Terminkalender zu bekommen, habe ich angefangen alle Tasks in diesem Farbschema anzulegen. Das bietet sich vor allem digital an. Hierdurch bekommt man in der Wochenansicht einen schnellen Einblick, wie anstrengend und schwierig die nächsten Tage werden und wie viel Spielfläche noch vorhanden ist.
Um die Prokrastination zu bekämpfen, habe ich feste Regeln etabliert: Rote Termine können und dürfen nicht mehr verschoben werden (Deadline), gelbe Termine dürfen notfalls ein einziges Mal umgewandelt werden und ändern hierbei ihre Farbe in rot um. Grüne Termine dürfen bis zu zweimal umgelegt werden, bevor sie ihre Farbe in gelb ändern. Sie werden so angelegt, dass sie einen möglichst großen Zeitraum zur Deadline haben, damit ihre Flexibilität erhalten bleibt.
Die grünen Tasks verfolgen zwei Hauptfunktionen: A) Die Reduktion von Stress durch genügend Freiraum zur Umsetzung und B) die Generierung von Vorteilen, da Aufgaben frühzeitig bearbeitet werden und bei späterer Umwandlung in die gelbe Form bereits Teilbestandteile erledigt sind. Hat man einen free spot, kann man hier ein grünes Feld bearbeiten. Im Optimalfall gibt es mehrere grüne Blöcke und man kann und soll den Task wählen, auf den man im Moment am meisten Lust hat.
Das mag alles kurzzeitig erst einmal nach mehr Arbeit klingen aber mittel- bis langfristig profitiert man davon.
Es gibt noch einen Sonderbaustein, der ebenfalls mitgedacht werden muss: Freizeit (unten in lila). Dieser Baustein besitzt eine sehr hohe Priorität, damit man durch die ganzen Doppel- und Dreifachbelastungen (Sport, Ausbildung, Studium, Schule und Arbeit) nicht ausbrennt. Im Hobbybereich kann Floorball als Freizeit gelten. Ab der 1.Bundesliga wird es bezüglich Trainingsaufwand sowie Spielniveau schon anders, da hier nicht wirklich eine Erholung stattfindet und ein Leistungsprinzip innerhalb der Mannschaft existiert. Keine Leistung, keine Spielzeit.
Bei Auswärtsfahrten habe ich bei Mitspieler:innen oft beobachtet, dass sie ihre Kursunterlagen mitnehmen, weil sie am Folgetag eine Klausur schreiben. Auch ich habe das lange gemacht. In meinem Beispiel handelt es sich hierbei um einen roten Block. Rote Tasks eignen sich nicht wirklich gut an Spieltagen, da sie viel Energie rauben, die Lernumgebung nicht optimal ist und man den Fokus auf das Spiel nicht richtig aufbauen kann. Der externe Druck hemmt zudem die Leistung, was nach dem Spiel zu Unzufriedenheit führen kann.
Von daher ist es wichtig, dass diese Klausuraufgaben bereits weitaus früher in Form von grünen und gelben Tasks angegangen werden. Allgemein ist es tatsächlich zeitweise sogar möglich, dass die roten Tasks nie benötigt werden, da sie im Rahmen der grünen und gelben Tasks bereits erledigt worden sind.
Bei Auswärtsfahrten bieten sich gelbe und grüne Tasks dagegen sehr gut an, da sie mit der Auswahl der richtigen Lerninhalte durchaus zeitlich effizient abgearbeitet werden können und man keine Probleme bekommt, falls man doch mal von den Mitspieler:innen zum Karten spielen eingeladen wird. Bei der Hin- und Rückfahrt von Trainings haben sich bei mir vor allem grüne Tasks bewährt, die in einzelne Teileinheiten runtergebrochen worden sind.
Unterteilung von Tasks in Haupt- und Unterpunkte
Ein Task besteht meistens aus einer Hauptkomponente, die sich in mehrere kleine Teileinheiten trennen lässt. Wenn jemand dir sagt, dass du dein Zimmer aufräumen sollst, können die Teileinheiten unter anderem das Wegräumen deiner Sachen in einen Schrank (A), das Staubsaugen (B) und das Wischen des Bodens (C) sein. Desto weniger Zeit zur Verfügung steht, desto kleiner muss die Teileinheit sein. Desto schlechter die äußeren Bedingungen sind, desto simpler sollte die Herausforderung sein.
Lasst uns das mal am Beispiel von Büchern betrachten. Egal ob im Schul-, Ausbildungs-, Studium- oder Arbeitskontext: Lesen gehört oftmals in irgendeiner Form dazu.
Nun ist nicht jedes Buch gleich. Es gibt schwere, mittlere und leichte Lektüre. Manche Texte sind sogar so kompliziert, dass man sie auch nach dem dritten Lesen nicht versteht. Das kann frustrierender als jedes Gegentor sein.
Solche Bücher eignen sich sicher nicht auf dem Hin- und Rückweg zum Training, weil die Zeit zu knapp ist, der Weg viel zu kurz und die Umwelt sich durch Unterbrechungen und Störgeräusche bemerkbar macht. Hier eignen sich viel eher leichte Texte, die schnell verständlich sind und einen leichten Wissenszugang ermöglichen, der auch nach dem Training noch im Kopf ist. Denn das Vergessen ist ein großes Problem.
Jede:r von uns kennt es: Man erinnert sich einfach nicht mehr an den Inhalt von einem wichtigen Buch. Unsere Kapazität ist begrenzt. Angeeignetes Wissen lässt sich manchmal nicht festhalten.
Über die Jahre habe ich angefangen Bücher nicht länger als Medium zur Wissensaneignung, sondern als Medium zum Wissenszugang zu verstehen. Zugegeben, klingt erstmal ähnlich. Für mich sind Bücher wie externe Festplatten, auf die ich bei Bedarf auch nach Zeitraum X wieder zugreifen kann, um mir möglichst schnell das Wissen anzueignen, das ich mal gelernt habe. Damit ich nicht wieder 300 Seiten lesen muss, ist jedes Buch mit Textmarkierungen und Post-its versehen. Durch das simple Durchlesen der markierten Stellen bekomme ich sehr schnell wieder den Zugang zum benötigten Wissen.
Desto geübter man in dieser Struktur ist, desto schneller wird man beim Ordnen, unterteilen und abarbeiten von einzelnen Tasks, wodurch man mehr Zeit gewinnt, die ein sehr rares Gut ist. All diese Punkte lassen sich auch problemlos auf die Arbeitswelt in bestimmten Branchen übertragen, da wir (vor allem durch die Umstellung auf Home-Office) immer häufiger damit konfrontiert sind, unsere Arbeitsaufgaben mit unserer Freizeit zu verweben und es keine klaren Trennlinien mehr gibt. Manche Tasks lassen sich problemlos von unterwegs mit dem Smartphone erledigen, andere wiederum benötigen den Schreibtisch. Mit etwas Übung lernt man hier gut zu sortieren.
Warum sich das alles lohnt
Jede:r von uns ist individuell und von daher lässt sich meine Struktur natürlich nicht 1:1 auf jede:n von uns übertragen. Wir müssen alle schauen, welche Elemente für das eigene Leben sinnvoll erscheinen und in welcher Form man sie schlussendlich integriert. Mir hat dieser Weg immer sehr geholfen, um mir Floorball möglichst lange neben der beruflichen Laufbahn zu erhalten. Das Etablieren und Ausarbeiten dieser Struktur hat mir das Gefühl von Übersicht und Kontrolle gegeben und schlussendlich zu mehr Flexibilität bei der Arbeit und Freizeit geführt. Aller Anfang ist schwer aber der Flow baut sich schneller auf als man denkt und danach profitiert man mittel- bis langfristig davon.
Floorball hat mir im Leben vieles ermöglicht. Vor allem im Ehrenamt. Hier konnte ich meine ersten Schritte im Marketing für einen Verband machen und mich im Sponsoring, bei Workshops, Events und Messen ausprobieren. Genau diese Erfahrungen haben mir schlussendlich den Weg zu meinem Ausbildungsplatz bei einer Werbefilmproduktion geebnet, der mir alles danach folgende überhaupt erst ermöglicht hat. Daneben ist Floorball ein hervorragender Sport für Networking.
Ich hoffe, dass die nächsten Generationen von einem Erfahrungsaustausch zum Thema Zeitmanagement profitieren können und sich noch andere Spieler:innen dazu äußern werden, wie sie Floorball mit ihrem restlichen Leben verbinden. Denn mein Blickwinkel ist auf meine Branche und die persönlichen Rahmenbedingungen begrenzt und kann daher nicht alles abdecken. Ich bin gespannt.
Felix Klein ist Gründer und Geschäftsführer der Berliner Medienproduktion Framekollektiv (www.framekollektiv.de). Daneben ist er als Dozent an der Universität der Künste und als stellvertretender Prüfer im Ausbildungsberuf „Kaufmann / Kauffrau für audiovisuelle Medien“ bei den Abschlussprüfungen für die Industrie- und Handelskammer Berlin tätig. Neben einer abgeschlossenen Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien (IHK) und als Autor Film/TV (itCert) besitzt er einen Master in Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. Als Torwart spielte er 12 Saisons lang in der 1.Bundesliga für BAT Berlin und die SSF Dragons Bonn.