Das Ende der Lilienthaler Wölfe ist ein bitteres. Zumindest hat die Liga durch eine Sonderlösung einen echten Totalschaden abwenden können. Was jeder Verein aus dieser Misere lernen kann.
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Der Rest der Saison wird nun doch einen sportlichen Wert haben. Nach Lilienthals Rückzug zur kommenden Saison, drohte der Bundesliga eine Blamage ersten Grades. Die Regularien hätten Lilienthal gleich nach der Ligaphase auf den letzten Platz herabgestuft. Somit wären alle übrigen Spiele des TVL belanglos geworden, was die Tabelle extrem verzerrt hätte. Auf Wunsch einiger Teams schlug Verbands-Präsident Jan Hoffmann eine Sonderlösung vor. Lilienthal dürfte an den Playoffs teilnehmen, würde erst danach die Liga verlassen. Alle Vereine stimmten zu. So weit, so gut.
Diese Geschichte liefert aber gleich eine Serie an Lektionen, derer sich alle Vereine, egal ob aus der ersten oder letzten Liga, bewusst sein sollten. Tatsächlich ist aber fraglich, ob sich der TV Lilienthal selbst, seiner eigenen Versäumnisse vollumfänglich bewusst ist. Die öffentliche Kommunikation deutete nur bedingt darauf hin, dass man sich eingestanden hätte, Mist gebaut zu haben.
Eigentlich müssten gerade zehn Kisten (alkoholfreien) Biers auf dem Weg zu den neun Vereinen und der Geschäftsstelle des Dachverbandes sein. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hatte kaum ein Verein aus Sympathie für die Wölfe dieser Lösung zugestimmt, sondern ausschließlich, um den Rest der Saison zu retten. Aber was war eigentlich schief gelaufen?
Vieles. Zunächst sollte man sich die Frage stellen, wie schlecht die Kaderplanung gewesen sein muss, wenn sich ein Verein nach acht Jahren 1. Bundesliga, zwei Vize-Meisterschaften und einer Europacup-Teilnahme zurückzieht, weil man zu wenige Spieler hat?
Es sollte aber ein wichtiger Fingerzeig sein, dass insbesondere im deutschen Floorball die Qualität guter Vereinsarbeit nicht zwangsläufig mit den Erfolgen der ersten Mannschaft zusammenhängen muss.
Die Geschichte des TVL prägt ein im Floorball übliches Modell. Ein Freundeskreis, der „von klein auf“ zusammenwuchs und eifrig alle Ligatabellen erklomm. Homogen, eingespielt und persönlich verbunden. Gerade bei solchen Mannschaftstypen ist es besonders schwierig, die Gruppe rechtzeitig aufzubrechen und ein nachhaltiges Kommen und Gehen zu ermöglichen.
Denn nicht selten bleiben so Spieler im Kader, die man eigentlich hätte längst aussortieren müssen. An ihrer Stelle hätten dann rechtzeitig jüngere Spieler langsam ins Team hineinwachsen dürften. Oft kommt einem ein 26-Jähriger Spieler nicht alt vor. Durch die Entwicklung unserer Sportart fängt aber hier bereits das kritische Alter an – Studienende, Karriere, Familiengründung und der ganze andere Spaß.
Auch bedingt durch den schnellen Aufstieg Lilienthals, kam die Nachwuchsarbeit erst sehr spät in die Gänge. In dem Fall hätte man auch im Zusammenwirken mit anderen Vereinen den Abgang der „ersten Generation“ besser vorbereiten müssen. Die zweite Mannschaft kooperiert mit Seebergen, die Region ist nicht wirklich strukturschwach.
So entsteht heute der Eindruck, dass Lilienthal diese Nachhaltigkeit dem kurzfristigen Erfolg geopfert hat. Mit den Zugängen der Bröker-Brüder und der ausländischen Verstärkungsspieler wurde man für eine Zeit Weißenfels‘ ärgster Verfolger. Es sollte aber ein wichtiger Fingerzeig sein, dass insbesondere im deutschen Floorball die Qualität guter Vereinsarbeit nicht zwangsläufig mit den Erfolgen der ersten Mannschaft zusammenhängen muss. Hier reichen oft ein paar finnische Transfers und schon sind die Playoffs im Sack.
Dass ein Generationsumbruch schwer ist, steht außer Frage. Er kostet Zeit, Nerven und Tabellenplätze. Wenn er aber nicht gelingt, ist die Fallhöhe sehr hoch. Der UHC Döbeln kann davon ein Lied singen. Andere Vereine haben aber bewiesen, dass er möglich ist. Chemnitz musste zwischenzeitig zwar den Weg in die 2. Bundesliga antreten, ist jetzt aber mit einer jungen Mannschaft wieder solide in der Königsklasse unterwegs. Auch Hamburg ergänzt seinen jungen Kader mit alten Hasen und dem einen oder anderen ausländischen Spieler und kämpft jetzt um die Playoffs. Beide Vereine werden wohl auch kommende Saison nicht um den Titel mitspielen können. Aber sie werden (vermutlich) in der 1. Bundesliga antreten und weiter wachsen können.
Lilienthal hat einen solchen Umbruch aber scheinbar nie bewusst forciert. Statt dessen ist man mit seinem Sportwagen viel zu schnell über die Bahn gebrettert, obwohl man hätte wissen müssen, dass man die nächste Kurve nicht mehr kriegt.
Die Konsequenzen standen klipp und klar in den Regularien geschrieben. Gemeinsam mit allen anderen Teams war Lilienthal selbst für deren Formulierung verantwortlich gewesen. Etwas mehr Asche auf dem Haupt hätte gut getan. Es passte nicht so ganz zum Image dieser ansonsten ausnahmslos sympathischen Mannschaft.
Die gesamte Liga ist gut beraten vor der Verabschiedung der Durchführungsbestimmungen für die kommende Saison noch einmal alle Passagen zu prüfen. Das Problem der aktuellen Regelung ist nämlich weniger das resolute Vorgehen gegen das scheidende Team, als vielmehr ihre Unvollständigkeit. Sie sollte auch erklären, wie eine Verzerrung zu vermeiden ist. Beispielsweise hätte man sonst alle übrigen sowie alle abgelaufenen Lilienthal-Spiele streichen müssen, um trotzdem eine faire Tabelle berechnen zu können.
Oder man schaut ins Ausland. In der tschechischen Superliga beispielsweise werden An- und Abmeldungen für die Folgesaison erst nach den Playoffs und vor der Relegationsphase (die dort nach den Finals stattfindet) angenommen. Meldet sich ein Erstligist für die Folgesaison nicht an, werden die Relegationsspiele entsprechend angepasst.
Lilienthal wird der Liga fehlen. Die Wölfe haben nicht nur den Kampf um den Titel bereichert, offenbar aber zu einem hohen Preis. Vielleicht werden andere Vereine aus diesem Schicksal lernen können und nicht nur die Bundesliga, sondern die gesamte Szene wird ihre Arbeit mit deutlich mehr Weitsicht leisten. Ende gut, alles gut, sozusagen.
Im kommenden Sommer ist jedenfalls Leichenfledderei angesagt. Einige Spieler dürften neue Vereine suchen. Die Autoren unserer Silly-Season-Artikel wird’s freuen. Wiederholen müssen wir dieses Spektakel in Zukunft aber bitte nicht.
Fotos: TV Lilienthal / Günther Pape