Nach sechs Spieltagen belegt Kaufering den letzten Tabellenplatz der 1. Bundesliga, weit entfernt von der Stärke des einstigen Überfliegers. Der Pokalsieg gegen Bonn könnte ein Weckruf gewesen sein. Ein Gespräch mit Kapitän Marco Tobisch über verlorene Jahrgänge, talentierte Cousins und einen Silberstreif am Horizont.
Floorballmag: Marco, das Spiel gegen Bonn konnte spannender nicht sein. Was hat am Ende den Unterschied ausgemacht?
Definitiv. Die Zuschauer mussten ganz schön zittern. Vielleicht hat am Ende die Kaderbreite den Ausschlag gegeben. Mit arg viel Erfahrung können ja bekanntlich beide Teams nicht punkten, was man im ersten Drittel gemerkt hat. Da war’s auf beiden Seiten ein recht ideenloses Hin und Her. Danach wurde es spielerisch besser und vor allem die jungen Talente hatten auf beiden Seiten entscheidende Aktionen.
Außerdem habt ihr jetzt einen neuen Falkenberger gefunden?
Dani ist Maxis Cousin. Er gehört seit letztem Jahr zum Bundesligakader und hat in den letzten Monaten einen großen Entwicklungsschritt gemacht. Er hatte am Samstag gegen Bonn wirklich einen Sahnetag. Drei Tore und eine Vorlage. Aber nicht nur er, sondern auch einige andere Jungs aus dem Jahrgang 2002 wie Martin Rieß, Christian Brücklmayr oder Bene Richardon haben sich in ziemlich kurzer Zeit im Bundesligakader festgespielt. Langsam zahlt es sich aus, dass die jungen Burschen bei uns viel Spielzeit bekommen.
In der nächsten Runde wartet mit Schenefeld ein Zweitligist, der beißen kann. Pflichtsieg?
Ich denke, das wird ein Duell auf Augenhöhe. Der Abstieg von Schenefeld letzte Saison lief schon sehr unglücklich, weshalb ich nicht überrascht bin, dass sie in der 2. Liga Nord/West bisher ohne Niederlage vorne weg marschieren. Insofern ist es auch keine Sensation, dass Wernigerode hier gestolpert ist. Bestimmt sehen wir die Blau-Weißen schon bald in der Bundesliga wieder.
In der Liga läuft es aber weniger rund. Sechs Spiele, sechs Niederlagen. Woran liegt’s?
Stimmt, die Tabelle liest sich im Moment tatsächlich eher frustrierend. Es gibt einfach wahnsinnig viel, was sich bei uns erst finden und entwickeln muss und wofür allein die Saisonvorbereitung offenbar nicht ausgereicht hat. Zum Beispiel ein neues Trainerteam mit neuen taktischen Ideen sowie ungefähr acht junge Talente, die aus der Jugend aufgerückt sind. Dass diese Rädchen immer besser ineinandergreifen, haben wir bei der knappen Niederlage in Weißenfels und auch jetzt im Pokal gezeigt. Trotzdem werden wir noch etwas Zeit brauchen.
Als ihr 2014 in die Königklasse gestürmt seid, habt ihr gleich Bronze geholt. Alles deutete darauf hin, dass ihr irgendwann vielleicht sogar um den Titel mitspielen könntet.
Damals hat einfach alles gepasst. Der Teamgeist war völlig irre, wir waren vom ersten bis zum letzten Mann Kumpels, die auch ihre Freizeit miteinander verbracht haben. Und wer über mehrere Jahre nahezu jedes Spiel gewinnt und bei seinem Debüt in der Bundesliga trotzdem als Underdog gilt, kann natürlich locker und ohne Druck in jedes Spiel gehen. Das Glück war dann auch noch sehr oft auf unserer Seite: Von sechs Spielen, die in die Verlängerung gegangen sind, haben wir in allen sechs das Siegtor für den Zusatzpunkt gemacht.
Was ist in den Jahren danach passiert, dass so ein Abschwung kam? Eine wichtige Überlegung auch für andere Vereine, die mit einer ambitionierten Generation in der Liga aufschlagen.
Nachdem die ältere Generation irgendwann größtenteils berufsbedingt aufgehört hat, haben wir die Lücken gefüllt – teils mit jungen Spielern aus der Umgebung, teils mit Ausländern. Das sind Spieler, die oft nur eine Saison bleiben, um mal das Abenteuer Bundesliga mitgemacht zu haben. Größter Knackpunkt ist in meinen Augen aber, dass wir den Jahrgang 1996/1997 völlig verloren haben. Die Jungs sind unter anderem mit Tino von Pritzbuer, Johannes Weh und Kevin Keß deutscher U17-Meister geworden. Im Optimalfall würde man davon ausgehen, dass aus dieser Mannschaft 4-6 Spieler hervorgehen, die heute mit inzwischen fünf Jahren Bundesligaerfahrung zu den Leistungsträgern gehören würden. Letztens habe ich das damalige Meisterfoto wieder herausgekramt: Nicht ein einziger Spieler ist heute noch im Kader.
Warum?
Keine Ahnung, wie das andere Vereine machen. Aber wenn woanders ein Spieler für ein Jahr in die Schweiz oder nach Tschechien geht, kann man sich dort darauf verlassen, dass er nächstes Jahr wieder zurückkommt – meistens als noch besserer Spieler. Wer bei uns studieren geht oder plant, im Ausland Luft zu schnuppern, kommt nicht mehr zurück. Das kann man natürlich keinem der Jungs vorwerfen und ich freue mich, wie sich beispielsweise Tino von Pritzbuer oder Juli Rüger in der Schweiz entwickelt haben. Aber wir sind gefühlt seit Jahren nur damit beschäftigt, Löcher zu stopfen.
Welche Perspektiven hat der Verein, dass die Red Hocks in den kommenden Saison zu den ehemaligen Leistungen zurückkehren?
Zunächst mal geht es dieses Jahr nur darum, in der Liga zu bleiben. Um den Titel wird es für uns so schnell nicht gehen, da brauchen wir uns keine Illusionen zu machen. Dass eine Mannschaft aber nach einem großen Umbruch von heute auf morgen in der Bundesliga so richtig durchstarten kann, hat Hamburg letztes Jahr vorgemacht. Vielleicht gelingt uns in den nächsten Monaten etwas Ähnliches. Wenn wir die Klasse halten, und da bin ich sehr zuversichtlich, machen wir in den nächsten beiden Jahren nochmal einen guten Entwicklungssprung. Wofür das reicht, hängt natürlich auch immer von der Entwicklung der Liga ab.
Du selbst warst zuletzt wieder beim Trainingslager der Nationalmannschaft dabei. Sind die Quali und vielleicht auch die WM ein persönliches Ziel?
Im ersten Schritt kommt jetzt zunächst mal die Quali, die ist sicher ein großes Ziel für mich. Die WM in Prag war, obwohl es nicht ganz für einen Einsatz auf dem Feld gereicht hat, das mit Abstand unglaublichste Floorball-Erlebnis für mich. Das ganze Drumherum ist einfach gigantisch. Trotzdem schaue ich jetzt noch nicht auf die WM im nächsten Jahr, das ist noch zu weit weg. Bei der Quali wäre ich aber sehr gerne wieder Teil der Mannschaft, denn das Niveau, und dabei mit den Besten Deutschlands zusammenzuspielen, macht wirklich viel Spaß!
Fotos: Red Hocks Kaufering