„Müssen Visionen entwickeln“

In keinem anderen deutschen Profiverein hat sich Floorball so prächtig entwickelt wie bei den Eisbären Berlin. Jetzt sucht Abteilungsleiter Robbi Haschker sogar nach einem bezahlten Vollzeit-Trainer. Die Eisbären sind ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Symbiose aus Eishockey und Floorball. Wie kam es zu diesem Projekt und wohin kann die Reise noch gehen?

Floorballmag: Robbi, wie kam es dazu, dass die Eisbären jetzt einen hauptamtlichen Vollzeit-Trainer suchen?

Robbi Haschker: Seit wir die Floorballabteilung Ende 2016 gegründet haben mache ich fast alles in Personalunion. Abteilungsleiter, Trainer, Manager, Mädchen für alles. Es war mir klar, wenn man so ein Projekt startet, dass man erst gut drei Jahre extrem viel Zeit investieren muss. Heute haben wir sieben, acht Nachwuchsmannschaften und drei Seniorenteams. Ich konnte in den letzten Jahren viele Menschen für dieses Projekt begeistern, die mir auch immer mehr Arbeit abnehmen. Unser Nachwuchs ist inzwischen mit sechs ÜbungsleiterInnen gut aufgestellt, vier werden demnächst ihre Floorballtrainer C-Lizenz machen. Im Seniorenbereich arbeiten wir, wie viele andere auch, mit Spielertrainern. Das ist alles andere als optimal.

Und entspricht auch nicht dem Anspruch.

Absolut nicht. Es ist für unsere Entwicklung unumgänglich, auch im Seniorenbereich den nächsten Schritt zu gehen. Im Großfeld-Betrieb sind wir diese Saison mit dem SCS Berlin als SG gestartet und profitieren von deren Erfahrungen. Nächste Saison wollen wir aber auch das alleine stemmen. Der Plan ist, in den nächsten vier bis sechs Jahren sportlich aufzusteigen – aber nicht mit uns aktuellen „alten Säcken“ in der Regionalliga, sondern mit unserem Nachwuchs. Dafür ist es wichtig, professionelles Personal zu haben. Aktuell machen Hannes Fielko und ich den Job als Trainer. Für die Regionalliga reicht das, für unsere Vision ist das aber zu wenig. Ich erhoffe mir von einem Trainer oder einer Trainerin mit Erfahrung den nächsten Schritt gehen zu können, auch um in Berlin ein Leistungszentrum Floorball aufzubauen, an dem wir lokal schon gemeinsam gefeilt haben. Nur so kann man nachhaltig den Abstand zu den Top-Clubs bundesweit verringern. Und das geht in meinen Augen nur mit einer Vollzeit-Fachkraft.

Welche Aufgaben soll diese Person genau leisten?

Die Arbeit wird sich in drei Teilbereiche gliedern. In den Vormittagsstunden wird an unseren Schul- und Kitaprojekten gearbeitet, am Nachmittag sind der höhere Nachwuchs und die Erwachsenen dran. Außerdem wird diese Person mit mir gemeinsam die konzeptionelle Entwicklung vorantreiben.

Es geht also nicht nur um die erste Mannschaft.

Keineswegs. Wir wollen den Nachwuchs perspektivisch in zwei Bereiche gliedern. Der erste soll im Breitensport bleiben. Den stemmen wir mit unserem aktuellen Personal schon ganz gut. Der zweite Bereich soll aber Leistungssport bieten, für jene Kids, die mehr als nur ein Hobby im Floorball sehen, die die Chance haben, bei guter Förderung, eines Tages auch bei der Nationalmannschaft anzuklopfen. Ziel muss sein, ähnlich wie im Eishockey, aus jedem Jahrgang zwei oder mehr Nationalspieler hervorzubringen. Mir fehlt dafür die spezifische Erfahrung. Und bei all den anderen Aufgaben auch die Zeit.

Viele deutsche Topteams kommen mit ihren Finanzen so eben über die Runden. Wo kommt das Geld her? Sind das die Vorteile, Teil eines Profi-Vereins zu sein?

Ja und nein. Erstmal haben wir unsere Abteilung komplett ohne jegliche finanzielle Unterstützung der Eisbären und der Eisbären Juniors aufgebaut. Sogar ganz im Gegenteil – wir zahlen eine jährliche Abgabe an unseren Stammverein. Auch unsere Sponsoren und Partner haben wir uns alleine suchen müssen. Aber ja, es gibt da natürlich jede Menge Vorteile. Ich arbeite Vollzeit, als Honorarkraft für die Eisbären Juniors. Ich konnte Förderungen bei den unterschiedlichen Institutionen beantragen, von denen die meisten vermutlich nie gehört haben und so auch eine Vollfinanzierung für mich gewährleisten. Der Aufwand wäre im Ehrenamt auch nicht zu stemmen. Und natürlich hilft uns der Eisbärenkopf auf der Brust vor allem bei der Nachwuchsgewinnung. Aber natürlich das ist alles kein Selbstläufer, sondern harte Arbeit unserer Trainer und Betreuer.

Eisbären Juniors Tag in der Mercedes-Benz-Arena

Und wo kommt das Kleingeld dann her?

Der entscheidende Vorteil ist das senatsfinanzierte Programm „Profivereine machen Kita/Schule“. Unsere Eisbären-Juniors-Trainer unterstützen den Sportunterricht in Grundschulen und bieten in den Kitas sogenannte „Bewegungsangebote“ an. „Profivereine“ ist ein Berliner Zusammenschluss der sechs großen Profiteams – Eisbären, Füchse Berlin, BR-Volleys, ALBA-Berlin, Hertha und Union. Für die meisten dieser Vereine ist es ziemlich einfach, ihren Sport in den Schulsport-Unterricht zu bringen. Mit Eishockey ist das deutlich schwieriger. So sind wir damals auch eigentlich erst zu Floorball gekommen. Ein Großteil unseres Nachwuchses kommt aus einer Schule in Schmöckwitz, in der ich selber seit 2015 arbeite. Und ich habe es geschafft, den dortigen Sportlehrer so „anzuzünden“, dass Floorball dort inzwischen Bestandteil des Schulsports ist und jede Klasse mindestens eine Sportstunde pro Woche Floorball spielt. Da wir ab 2020 neue Schulen und Kitas in das Projekt nehmen können, gibt es auch finanzielle Kapazitäten, um einen hauptamtlichen Trainer zu beschäftigen. Einen Bundesliga-Etat können wir aktuell aber auch noch nicht stemmen, hoffen aber in den nächsten Jahren, über den Zugewinn weiterer Förderer und Sponsoren, auch das zu meistern. Ein Vollzeit-Trainer ist dabei mein größter Wunsch, alles weitere wird kommen.

Scheinbar seid ihr auch so schon sportlich weit gekommen.

Unser Plan war es gewesen, in drei bis vier Jahren, alle Ligen des FVBB zu besetzen und da sind wir auf einem guten Weg. Auf diese Weise wollen wir auch unserem Nachwuchs jegliche Möglichkeiten geben, sich zu entwickeln. Für die Hobbyspieler in der Verbandsliga, für die mit mehr Ambitionen in der Regionalliga, und natürlich vor allem auf dem Großfeld.

Wo liegen die aktuellen Schwerpunkte in der sportlichen Ausbildung?

Wir haben zuletzt viel in unsere Torhüterausbildung investiert. Den letzten Anstoß dazu gab das Interview mit Pavel Lubentsov bei Euch im Floorballmag. Wir haben für jede unserer Trainingsstätten kleinere U-Tore und neue Torwartausrüstungen angeschafft und werden ab Dezember ab der U9 ausschließlich mit TorhüterInnen trainieren. Dreimal im Jahr organisieren wir außerdem Floorball-Camps für verschiedene Altersgruppen, offen für alle jungen FloorballerIinnen aus Berlin und der ganzen Republik. Und auch da werden wir jetzt im Winter den nächsten Schritt gehen und versuchen unsere Camps mit Bundesligaspielern und -trainern zu verstärken, übrigens sogar mit Honorar. Und auch spezielle mehrtägige Goaliecamps sind in Planung. Da haben wir in unserer Eishockeyabteilung ein großes Vorbild.

Mittlerweile konntet ihr auch sportlich voll aufschließen.

Auf jeden Fall. Besonders stolz sind wir auf unsere Nachwuchsentwicklung. In der U9 und U11 hängen wir den etablierten Vereinen Berlin Rockets, VfL Tegel und dem TSV Rangsdorf nicht mehr hinterher. U13 und U15 bedarf noch einiger Zeit, aber auch da werden in den nächsten Jahren die regionalen Meisterschaften mit uns laufen. Gerade in der U9 und U11 legen wir viel Wert darauf, dass alle Kinder, unabhängig ihres Leistungsstandes spielen, da geht es um die Ausbildung des Nachwuchses. Titel sind zwar immer ganz nett, aber nicht das primäre Ziel. Schließlich sollen diese Mädels und Jungs später mal für uns um Meisterschaften in den FD-Ligen spielen. 

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Was sind die nächsten Zwischenziele?

Erstes und wichtigstes Ziel, wir wollen Floorball populärer machen und das auch mit Kraft unseres „Eisbärenkopfes“. Denn erst, wenn man nicht immer erklären muss, welchen „komischen“ Sport man da betreibt, werden wir auch genug Nachwuchs haben. Davon werden dann alle Vereine in Berlin-Brandenburg profitieren. Wir erreichen als Eisbären Juniors einfach eine viel größere Zielgruppe, die sowieso schon an Hockeysport interessiert ist.

Für die ist Floorball eine gute Alternative. Auch aus ökonomischen Gründen, richtig?

Ja, Eishockey ist teuer und auf Grund der örtlichen Gegebenheiten, bei uns sehr leistungsorientiert. Das ist die Chance für Floorball, mit niedrigen Einstiegshürden. Deshalb wollen wir den Breitensportbereich ausbauen um dann auch im Leistungsbereich davon zu profitieren. 

Wie sieht es mit den Damenteams aus?

Bei uns spielen viele Mädchen und im Nachwuchs bin ich ein Freund von gemischten Teams, weil es auch den Mädels bessere Entwicklungschancen bietet. Aber auch da wollen wir irgendwann eine eigene Frauenmannschaft in den Spielbetrieb schicken.

Gibt es für euch wichtige Partner auch außerhalb der Eisbären-Welt?

Ich lerne als Floorball-Novize jeden Tag und habe mit den Entscheidern im FVBB gute Partner gefunden. Natürlich habe ich auch das Glück, mit den Berlin Rockets ein Team in Berlin zu haben, die schon da sind, wo wir hinwollen. Das hilft mir natürlich auch bei unserer Entwicklung, vor allem weil man bereit ist Erfahrungen zu teilen. Auch wenn wir irgendwann mal direkte Konkurrenz sein wird, ist das Arbeiten im Verband sehr kollegial und zielführend für die Entwicklung unserer Sportart. Und wenn es Floorball irgendwann man schaffen sollte, olympisch zu werden, sitzen wir jetzt schon im Olympiastützpunkt Sportforum Hohenschönhausen, mit Internat, Sportschule (SLZB) und optimalen Trainingsbedingungen. Das könnte für ganz Floorball-Deutschland ein weiterer Meilenstein werden. Natürlich ist das Zukunftsmusik. Aber wir müssen in unserem Sport auch Visionen entwickeln, vor allem, um den Abstand zu den Top-Nationen nicht abreißen zu lassen.

Welche Rolle spielt die Floorballsparte im gesamten Eisbärengerüst?

Nach wie vor eher eine untergeordnete. Es ist halt der Randsport beim Randsport. Natürlich wird auch bei den Eisbären Juniors Eishockey immer die Nummer eins sein – und das ist auch gut so. Allerdings haben wir im Schatten vom Eishockey unsere Nische gefunden und profitieren von professionellen Voraussetzungen. Wir kämpfen wie alle Vereine in Berlin mit mangelnden Hallenzeiten, da hilft es uns auch gar nicht die Eisbären Juniors zu sein. Ich bin aber auch hier optimistisch, durch unsere Schulkooperationen und die Unterstützung von Schul-AGs, in den nächsten Jahren, die Trainingsbedingungen für Nachwuchs und Seniorenteams verbessern zu können.

Dabei soll auch das Final4 im kommenden März helfen. Du unterstützt das Projekt als Venue-Chef.

Das Final4 vor zwei Jahren in Berlin war mein erstes Event, an dem ich auch selber aktiv teilnahm. Scheinbar hat meine Arbeit dort ein paar Leute aufmerksam gemacht. Im letzten Jahr in Leipzig, durfte ich als Mitglied der Event-Kommission bei FD auch bei diesem Final4 mitarbeiten. Diese Saison wird das Final4 noch ein paar Nummern größer sein. Es ist mir eine Ehre und macht unglaublich viel Spaß, Teil des Teams zu sein, das dieses Event organisiert.

Welche Chancen birgt das Final4 für die Sportart aus deiner Sicht?

Wir haben die Chance, Floorball auf eine neue, bundesweite Ebene zu heben, raus aus miefigen Sporthallen, rein in eine richtige Arena. Es ist die Chance, unsere Sportart auch anderen Bevölkerungsschichten näher zu bringen und vor allem noch mehr Kinder und Jugendliche für unsere Sportart zu begeistern. Das alles ist harte Arbeit, die sicher auch nicht von heute auf morgen Früchte trägt. Aber nur so schaffen wir es, Floorball bekannter zu machen. Es ist ein großes Experiment, aber ich bin mir sicher, dass wir es gemeinsam rocken werden. Das Final4 in Berlin, mit all den lokalen Vorteilen und medialen Möglichkeiten, kann für unseren Sport in den nächsten Jahren bundesweit ein wichtiger Motor sein. Insofern ist es konsequent, sowohl das Bundesfinale der Schulen, als auch das Floorball Final4 dauerhaft in Berlin behalten zu wollen.

Du hast also Hoffnungen, dass trotz all der Turbulenzen auf bundesweiter Ebene, alles doch vorankommt.

Irgendwie schon. Es gibt eine tolle Zusammenarbeit, vereinsübergreifend, auf Lands- und Bundesebene. Natürlich bin ich oft auch entsetzt, wie viel Vereinsmeierei und Kleingeistigkeit in vielen Vereinen herrscht. Statt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, richten sich viele in ihrer lokalen Nische ein. Die bringt die Sportart aber nicht weiter. Da gibt es in den Landesverbänden und im Dachverband sich noch viel Luft nach oben.

Das Konkurrenzdenken findet also an den falschen Stellen statt?

Wir müssen weg davon, in Nachwuchs-Tabellen irgendwelche Bestätigungen zu suchen. Der Fokus muss auf einer gemeinsamen Ausbildung und Weiterentwicklung liegen – auch wenn man dann mal keinen Meistertitel gewinnt. Wir müssen in die TrainerInnen-Ausbildung investieren, denn nur so wird auch der Nachwuchs professionell betreut und ausgebildet. Floorball ist in diesem Land ein schlafender Riese. Aber nur mit der Professionalisierung des Sportes in allen Ligen werden wir irgendwann man in der Lage sein, die Max-Schmeling-Halle bei einem Final4 wirklich voll zu bekommen. Wenn wir es eines Tages geschafft haben, die Mercedes-Benz-Arena in Berlin für ein Floorballspiel mit 12.000 Leuten zu füllen, geh ich in Rente.

Fotos: Floorball Eisbären Juniors