Fehlende Partner, fehlende Medienpräsenz, fehlendes Selbstverständnis und dazu ein klaffender Graben zwischen den führenden und den verfolgenden Ländern. Mittelfristig könnte die Gründung eines wirklich brauchbaren Europapokals bei der Lösung vieler Probleme helfen, mit denen sich die IFF und das internationale Floorball herumplagen.
Untätigkeit kann man der IFF tatsächlich nicht vorwerfen. Nur die falschen Formate. Das Konzept der europäischen Vereinswettbewerbe hat zahlreiche Wandel durchlebt. Bis 2009 lud der EuroFloorball Cup alle Meister zum Kräftemessen ein, wurde danach aber zum Spielplatz zweiter Wahl degradiert, indem 2011 der Champions Cup als Elite-Wettbewerb für die Topnationen installiert wurde – zunächst durchlässig, erreichbar für die Sieger des EuroFloorball Cups, heute aber eine geschlossene Gesellschaft, mittlerweile auf den Minimalaufwand reduziert. Die vier Meister aus Finnland, Schweden, Tschechien und der Schweiz treffen sich zu einem putzigen Stelldichein und feiern an zwei Tagen ihre Bedeutungslosigkeit.
Innerhalb der Szene waren die Sympathien für die jeweiligen europäischen Klubwettbewerbe schon immer und über alle Grenzen hinweg bescheiden gewesen. Überwiegend aus finanziellen Gründen. Denn die Kosten für eine Teilnahme pendelten sich oft im mittleren bis oberen fünfstelligen Bereich ein, was dem fehlenden Prestige nicht entsprach. Letzteres war auch der Grund, weshalb nur wenige Vereine interessiert daran waren, Gruppenphasen auszutragen. Denn ZuschauerInnen blieben meist aus und der Aufwand ließ sich nur mühevoll refinanzieren. Die Folge waren Absagen prominenter Teams, etwa des Schwedischen Herren-Meisters 2009, oder sogar ganzer Events wie zuletzt des EuroFloorball Cups 2018.
Dass er ohne einen starken europäischen Wettbewerb nicht auskommt, ist dem Weltverband bewusst. Die vermeintliche Konkurrenz liefert eindrucksvolle Beweise – und man muss gar nicht den uneinholbaren Fußballern hinterherlaufen. Das beste Beispiel ist der Europäische Handball-Verband EHF. Der gründete ein Subunternehmen, das als EHF Marketing GmbH auf eine agile und effiziente Weise Projekte voranbringt, allen voran die Champions League mit ihrem abschließenden Großevent Final4. Plötzlich überträgt Sky balkanische Derbys und knapp 20.000 Zuschauer pilgern jeden Frühsommer in die Kölner Lanxess Arena. Nie hätte die EHF ohne diesen Wettbewerb ihren jüngsten 500-Millionen-Deal mit den Agenturen Infront und Perform (DAZN) abgeschlossen.
Nun kann man Floorball nur bedingt mit Handball vergleichen. Markt, Entwicklung, Struktur, Professionalisierung, Medialisierung, all diese Dinge sind noch von einem anderen Stern. Die Logik ist aber dieselbe.
Denn durch die Natur der Sache fordert ein erfolgreicher Klubwettbewerb viele Dinge ein. In erster Reihe sind das neue Kompetenzen, die dem internationalen Floorball schmerzlich fehlen (siehe unser Artikel zum IFF Strategy Paper), vor allem in den Bereichen Vermarktung, Kommunikation und Digitalisierung. Außerdem wird so endlich eine Platform geschaffen, auf deren Grundlage überhaupt erst wirklich relevante Partner wie internationale Sponsoren oder (Streaming-)Medien gewonnen und kommuniziert werden können. Die sportlichen Kämpfe wiederum liefern Inhalte, erzählen Geschichten und bauen Persönlichkeiten auf, welche die Szene ebenfalls dringend benötigt, um sich Identität und Sportkultur zu schaffen.
Tatsächlich gleicht die aktuelle Zweiteilung der Szene einer Bankrotterklärung an die eigene Wertegemeinschaft. Die Elite trifft, misst und entwickelt sich untereinander weiter, mit ihren Nationalmannschaften bei der EuroFloorball Tour und mit ihren Vereinen beim Champions Cup. Der Rest soll ebenfalls unter sich bleiben und immer dann jubeln und jauchzen, wenn es nötig ist. Also die genau entgegengesetzte Richtung zu dem, was Floorball wirklich braucht. Dabei steht außer Frage, dass Meister aus Norwegen, Lettland, Slowakei oder auch aus Deutschland bei einem internationalen Topevent ihren Mann und ihre Frau würden.
Wie könnte also ein neuer Klubwettbewerb aussehen? Zunächst muss man feststellen, dass sich diverse Parameter seit 2010 doch geändert haben. Die meisten Vereine, wie in den Spitzenländern so auch bei den Verfolgern haben sich weiter professionalisiert, ebenso die IFF. Das aktuell aufs Mindeste reduzierte Konzept darf also gerne etwas erweitert werden. Es wird aber nur funktionieren, wenn es sich selbst und alle Beteiligten nicht von Anfang an überfordert.
- Phase (August): Zunächst könnten alle interessierten Meister außerhalb Schwedens, Finnlands, Tschechiens und der Schweiz Ende August in mehreren Gruppen die Teilnehmer der nächsten Phase ausspielen. Die meisten Vereine absolvieren zu der Zeit sowieso Turniere im In- oder Ausland und von Titelträgern kann man eine solche Reise schonmal erwarten. Bei 12 Teilnehmern könnten in 3 recht sparsamen Gruppen (mit Wochenendspielen am Freitag, Samstag und Sonntag) vier Teams auserkoren werden, die zur Elite vorstoßen.
- Phase (Oktober und / oder Februar): Diese 4 Teams treffen nun auf 12 Elite-Vereine, also die jeweils drei besten Teams der vier Topnationen Schweden, Finnland, Tschechien und Schweiz. Diese Phase kann erneut in Gruppen mit Wochenendspielen ausgetragen werden (also an einem Ort) oder als Achtel- und später Viertelfinals (ebenfalls an einem Ort oder beim schlechter gewerteten Team, was der sportlichen Ausgeglichenheit sowie der Entwicklung gut täte).
- Phase (Februar und / oder Mai): Das Final4 bleibt bestehen, ist nun aber die Endrunde eines echten Wettbewerbs. Es kann strategisch den Austragungsort wechseln oder an einer geeigneten Stelle Wurzeln schlagen. Je nach Dauer der 2. Phase sowie Kalender dürfte es entweder zwischen WM und Meisterschaftsfinals (Februar) oder als Abschlussevent nach der Saison (Mai) stattfinden.
Termine gäbe es für einen solchen Wettbewerb ausreichend – zumal das kompakteste Modell lediglich ein zusätzliches Wochenende benötigen würde und der Weltverband zuletzt recht großzügig mit IFF-Wochenenden umgegangen war. Sollte sich das Konzept bewähren, würde nichts dagegensprechen, es danach schrittweise zu erweitern.
Das Resultat einer solchen Champions League wäre jedenfalls eine zusammenhängende Konkurrenz, sinn- und gemeinschaftsstiftend, gut für die sportliche wie auch ökonomische Entwicklung unseres Sports. Die IFF wäre also gut beraten, die Corona-Pause dafür zu nutzen, ihr Event-Konzept noch einmal grundlegend zu überarbeiten, auf die grenzlos überflüssige Europameisterschaft zu verzichten und ab 21/22 oder spätestens 22/23 einen neuen Europacup zu installieren.
Natürlich wird Gegenwind aufziehen, vermutlich insbesondere seitens mancher Vereine der Topnationen. Sie müssen aber gemeinsam mit ihren Verbänden endlich begreifen (und von der IFF und anderen Verbänden erklärt bekommen), dass der Sport und mit ihm sie selbst ohne einen derartigen Wettbewerb weiterhin irrelevant bleiben werden. Denn schlussendlich würde ein erfolgreiches Projekt, nicht nur den Weltverband und die globale Entwicklung stärken, sondern auch den Wert von Floorball auf ihren jeweiligen Märkten. Doch ein solcher Schritt erfordert die Investition von Zeit, Aufmerksamkeit und sicherlich auch Geld – seitens der IFF, der Verbände, der Vereine und aller Beteiligten. Eine Investition, die wir uns leisten müssen.
Foto: Martin Flousek