Floorball möchte sich als innovative, junge Sportart verkaufen. Auch beim Thema Nachhaltigkeit und Ökologie ist es aber noch ein weiter Weg. Einerseits, weil es uns die Natur unserer Sportart nicht leicht macht. Aber auch weil uns der Spaß wichtiger ist als das gute Gewissen.
In unserem Artikel „What Floorball Needs for a Real Boost“ hatten wir es bereits angesprochen. Um zu wachsen, wird Floorball einen geschickten Umgang mit den Megatrends unserer Zeit vorweisen müssen. Darunter auch mit Nachhaltigkeit, einem bislang sträflich vernachlässigten Thema. Egal, ob wegen eines inneren Verantwortungsbewusstseins oder um sich im Konkurrenzkampf mit anderen Sportarten besser aufzustellen, Floorball muss nachlegen.
Technischer Anspruch setzt erste Grenzen
Tatsächlich sind die unvermeidbaren Bedürfnisse unserer Sportart zunächst eine Herausforderung. Um Floorball zu spielen, müssen erstmal Grund und Boden mit einer funktionstüchtigen Halle bebaut werden. Neben der üblichen Infrastruktur sollte in einer solchen ein knapp 1.000 m2 großer Hartgummi-Boden ausgelegt werden, bestellt mit einer 120 m langen Kunststoff-Bande.
Kellen, Bälle und günstige Schäfte werden aus öl-basiertem Plastik hergestellt, ebenso wie praktisch alle Taschen, Schuhe und Textilien. Letzteres aus Polyester, das nicht nur am Ende entweder verbrannt oder für immer und ewig auf irgendeiner Müllhalde dahinschmoren wird, sondern nach jedem Waschgang die Gewässer dieser Welt mit mehr und mehr Mikroplastik verpestet. Dazu Griffbänder aus Gummi, Kleber und Farbstoffe verdächtiger Herkunft. Und nicht zu vergessen, das Wundermaterial Carbon für anspruchsvollere Schlägerschäfte, in der Regel produziert irgendwo in Asien, unter für die Kundschaft unbekannten Bedingungen.
Muss das so sein? Könnte Floorball auch anders? Es sind Innovationen gefragt, neue Konzepte.
Zugegeben, auch die eigene Industrie hat es nicht leicht. Die Mengen, die Unihoc, Salming & Co. etwa an Trikots oder Schuhen produzieren, sind im Verhältnis zu den großen Sportmarken winzig. Und da der Großteil ihrer Produkte über Zwischenhändler abgesetzt wird, bleibt für „grüne Konzepte“ zunächst wenig Marge übrig.
Dennoch ist der Innovationsstau enttäuschend. Auch kleine Sporttextilmarken schaffen es mittlerweile zumindest mit recyceltem Polyester oder organischer Baumwolle zu arbeiten. Beides zwar keine Geniestreiche und auch nur bedingt hilfreich, aber besser als der Status Quo. In manch anderen Sportarten werden Recycling- und Rücknahme-Programme installiert, wird bei den wichtigsten Produkten mit bio-basierten oder kompostierbaren Kunststoffmaterialien experimentiert.
Salming hat vor Jahren eine Kelle aus Zuckerrohr ins Portfolio aufgenommen. Das war’s dann auch. Unihoc hat aus diesem Material jetzt eine Plastikflasche gemacht und so beworben als ob man den Dodo-Vogel wiederbelebt hätte. Amen.
Von oben kommt zu wenig
Auch der Mangel an Konzepten seitens der Verbände ist ein Problem. Im vergangenen November präsentierte der Weltverband das Konzept „Stick with it“. Nun sollen bei Senioren-Weltmeisterschaften gebrauchte Schläger, Bälle und Flaschen gesammelt werden und die sonst neuen Ausrüstungen für Entwicklungsländer ersetzen. In Helsinki, im kommenden Dezember, will man 4.000 Schläger einsammeln. Statt 80.000 € würde das Programm so außerdem nur noch 20.000 € kosten. Unabhängig von aller Ökologie, stellt sich da die Frage, warum sich der Weltverband dieses Ersparnis erst nach 15 Jahren ausgerechnet hat.
Darüberhinaus unterzeichnete man die Sports for Climate Action Declaration der UN. Ein zentrales Dokument, bei dem sich Sportverbände dazu verpflichten, die Ziele des Pariser Abkommens zu unterstützen – symbolisch stark, im Alltag aber ein Papiertiger ohne praktische Weisungen. Denn die Deklaration leistet erst dann einen Beitrag, wenn Verbände die jeweiligen Thesen mit Leben füllen. Tun aber die wenigsten.
Denn weitere Meldungen der IFF zum Thema Nachhaltigkeit weisen schon darauf hin, wo das Problem mal wieder liegen wird – in der Verbindlichkeit der gesamten Szene. Denn als erste und bislang einzige Maßnahme dieses Jahres ließ der Weltverband die Emissionen seiner Geschäftsstelle kalkulieren (angeblich 139,9 t CO2) und prüft nun, ob man diese via Klimakompensation wegkaufen werde.
Ein Konzept für alle Verbände? Die Gründung von Nachhaltigkeits-Foren? Vorgaben für Hersteller? Fehlanzeige. Vielleicht wird alles im neuen Strategiepapier stehen. Warten wir’s ab.
In der Praxis leisten andere
Praktischere Ansätze kommen da oft eher von außen, etwa über Partner oder Betreiber. Für Besucher der kommenden WM in Helsinki werden beispielsweise kostenlose Zapfhähne in der Arena zur Verfügung stehen, über die man sich eigene Mehrwegflaschen mit Leitungswasser auffüllen kann. Eine von vielen Maßnahmen, die Helsinki bis 2035 zur ersten klimaneutralen Großstadt der Welt machen sollen.
Floorball hat also noch reichlich Luft nach oben. Das deutsche Floorball ganz besonders. Natürlich hat man hier (wie schon seit immer) noch überwiegend viel mit sich selbst zu tun, muss erstmal „Grundlegendes erledigen“ und sowieso an allen Ecken und Ende sparen. Aber vielleicht lassen sich Optimierung und Nachhaltigkeit auch verbinden.
Hatte man 2020 noch verschlafen, wollen die Veranstalter des Floorball Final4 2021 erstmalig mit einem speziellen Nachhaltigkeitskonzept arbeiten. Dieses enthält Maßnahmen, wie etwa Papierreduktion durch digitale Kommunikation, vegetarische Verpflegung, Verwendung von recycelten Materialien oder Merchandising-Artikel aus nachhaltigen Stoffen. Dieses Konzept soll im Anschluss ebenfalls eine Blaupause für zukünftige Floorball-Events darstellen und auf weitere Potenziale der Sportart hinweisen.
Neben den Nachteilen durch den anspruchsvollen Bedarf an Material und Infrastruktur sowie die noch fehlenden finanziellen Mittel hat Floorball auch diverse Vorteile, die man ausspielen kann. Eine junge, digitale, vermeintlich umweltbewusste Zielgruppe sowie noch recht übersichtliche und dadurch flexible Ansprüche an die Umsetzung von Wettbewerben.
Floorball kann Vorreiter werden
Natürlich wird es immer um die Balance zwischen Leistung und Nachhaltigkeit gehen, würde es Floorball aber gelingen Konzepte umzusetzen, die sich traditionelle Sportarten aufgrund ihrer Konventionen nicht leisten können, könnte man davon auch in der öffentlichen Wahrnehmung profitieren, könnte sich absetzen und endlich ein neues Alleinstellungsmerkmal entwickeln.
Wie wäre es mit einer Rücknahme-Pflicht für Hersteller, die dafür sorgen müssen, dass die von ihnen produzierten Artikel auch ordnungsgemäß entsorgt werden? Wie wäre es mit Material-Vorgaben oder zumindest einem Entwicklungsplan, um schrittweise von konventionellen, öl-basierten Kunststoffen auf sogenannte „Bioplastics“ überzugehen? Finanzieren ließe sich das alles entweder durch etwas höhere Preise (die man guten Gewissens zahlen würde, Rabatte gibt es ja sonst genug) oder (die Händler werden es nur ungern hören) durch einen höheren Anteil an Direktverkäufen – also Marke verkauft direkt an Kunde, hat mehr Geld zur Verfügung und kann (und muss dann auch) nachhaltiger entwickeln.
Die Grundlage hierfür wäre aber auch eine veränderte Erwartungshaltung der Szene. Diese darf dann nicht jene Marken bestrafen, die sich bemühen, und statt dessen weiter das zehn Euro billigere Standardprodukt kaufen. Gleiches gilt für Schuhe, Zubehör und ganz besonders Textil. Aber ohne Angebot keine Nachfrage und ohne Nachfrage kein Angebot. Wer macht also den ersten Schritt?
Ein Anfang wäre nicht schlecht
Was ohne viel Mühe machbar wäre, sind Weisungen für Verbände, Vereine sowie einzelne Aktive, zumal es solche bei anderen Sportarten bereits gibt. Solange sich die IFF ziert, hätte der deutsche Dachverband schon eine erste eigene Blaupause aufsetzen oder seine Spitzenvereine nach einer solchen fragen können. Ein einfacher, erweiterbarer Leitfaden beispielsweise, der zusammenfasst, wie auch Amateur-Vereine den eigenen Fußabdruck reduzieren können, wäre ein kleiner, erster Impuls, der neue Ideen und Projekte ins Rollen bringt.
Natürlich würde das auch den Verband selbst betreffen. Angefangen bei Kleinigkeiten, wie bei der idiotischen Pflicht der Heimvereine, nach jedem Spieltag Dokumente per Post durchs Land zu schicken. In meinem Kalender steht 2020. Es gäbe aber auch deutlich komplexere Aufgaben, etwa die Anpassung der Spielbetriebe. Bei diesen sollte in Zukunft nicht nur mehr ausschließlich die sportliche Auseinandersetzung bedacht werden, sonders auch (in gesundem Maße versteht sich) der von der gesamten Logistik verursachte ökologische Fußabdruck.
Denn nur zur Illustration: alleine in der 1. Floorball Bundesliga der Herren, nur Ligaphase ohne Playoffs, in einer zwar erweiterten aber doch mit einigen lokalen Derbys gestrafften Saison, werden die Vereine in der kommenden Saison zusammen ziemlich genau 50.000 km absolvieren. Also einmal um die ganze Welt und dann nochmal von Berlin nach Peking.
Man muss sich also nicht als „Ökoterrorist“ betiteln lassen, wenn man einmal höflich nachfragt, ob denn unsere Sportart an dieser Stelle alles richtig macht. Denn das tut sie nicht. Niemand von uns. Dabei ließe sich recht viel herausschlagen, für den Sport und für die Natur.