Systemfehler

Die vergangenen zwei Wochen legten zahlreiche Schwachstellen des Verbandes frei. Seine Entscheidungsprozesse wirken schwerfällig, die interne sowie externe Kommunikation rund um den Rücktritt der Bundestrainer war katastrophal. Das größte Loch scheint zwar vorerst gekittet zu sein, weitergehen kann es so aber nicht.

„Die Umstände sind im Moment einfach so, dass ich nicht weitermachen kann“, erklärte zuletzt auch Johan Nilsson. Hamburgs Ex-Trainer und Hubachers Assistent war der dritte Verantwortliche der Teamleitung, der binnen kurzer Zeit seinen Hut zog.

Nach dem Rücktritt seiner Kollegen sei Nilsson unsicher gewesen, wie seine Rolle nun aussehen würde. „Ich habe dem Vorstand deswegen erklärt, dass ich erstmal alle Informationen über die Zukunft benötige, bevor ich mich entscheide. Diese Informationen habe ich trotz zahlreicher Nachfragen aber nicht erhalten.“ Tatsächlich soll er von Ronkanens Anstellung als neuer Bundestrainer von Ronkanen selber erfahren haben. Der verantwortliche Vorstand habe sich bei Nilsson erst gemeldet, als dieser seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte.

Aber der Schwede hegt keinen Groll. Er sei nicht böse oder sauer auf irgendjemanden, meint Nilsson. Es sei nur sehr bedauerlich, wie sich die Situation entwickelt hat. „Das alles wäre sicher vermeidbar gewesen. Ich wünsche mir nur, dass der Vorstand aus den vergangenen Wochen zumindest etwas lernt und sich solche Dinge nicht mehr wiederholen.

Überlastet an allen Fronten

Nilssons Erfahrungen bestätigen, die oft kritisierte Betreuung der Nationalmannschaft, beispielsweise durch eine schleppende Bestätigung eingereichter Kostenpläne. Dies habe nicht nur Auswirkungen auf eine reibungslose Planung, sondern auch unnötige Extrakosten – etwa wenn Auswahlspieler Zugtickets oder Teamchefs Unterkünfte erst Wochen später als zum erstmöglichen Zeitpunkt buchen können.

Obwohl mit Atte Ronkanen, als temporärem Bundestrainer und festem Sportdirektor in Personalunion, das größte Loch im Boot gestopft zu sein scheint, muss der Vorstand ein klares Signal der Veränderung senden. Das sieht auch Tim Böttcher so, Kapitän der Herren-Nationalmannschaft. Dieser bemängelte zuletzt im Floorballmag-Interview den ausbleibenden Kontakt zwischen Vorstand und Team und forderte Strategien, um nicht ständig nur auf Sicht zu fahren.

Aber nicht nur die interne Kommunikation lief äußerst problematisch. Auch nach außen hin machten die Verantwortlichen keine gute Figur. Nach Hubachers Rücktritt-Mail ans Team veröffentlichte der Dachverband zunächst nur einen kurzen Dreizeiler. Eine konkrete Stellungnahme zum Rücktritt oder eine höfliche Danksagung? Fehlanzeige. Erst zehn Tage später nahm man den Faden wieder auf, stellte aber nur die neuen Trainer vor. Das Floorballmag hatte vor mittlerweile über zwei Wochen um Beantwortung einiger Fragen gebeten, wurde zweifach vertröstet und wartet bis heute.

Eine neue Verbandsstruktur ist nötig

Mit Sicherheit liegen diesen Unzulänglichkeiten persönliche Fehler zugrunde, die auch Folgen haben sollten. Niemand kann aber bestreiten, dass der Dachverband einfach grundsätzlich überlastet ist. Nicht einmal dessen Vorstand selbst. In unserem Podcast hatte Frederik Garre bestätigt, dass die aktuelle Struktur aus ehrenamtlichen Kräften den Erwartungen der Szene sowie den technischen Anforderungen des Alltags nicht nachkommen kann. Viel Hoffnung hatte Garre in die damals noch anstehende Gesamtvorstandssitzung, die einiges voranbringen sollte. Leider war diese laut Verbandspräsident Jan Hoffmann dann „überlasteten Ehrenamtlern zu Opfer gefallen“, ebenso Corona und den dadurch in Sachen Haushalt und Förderung vom Bund erforderlichen Mehrarbeiten. Ein Sinnbild.

Fest steht, unser Sport braucht auch hierzulande eine neue Verbandsstruktur. Eine leistungsfähige Geschäftsstelle ausgestattet mit mindestens drei bis vier marktüblich (!) bezahlten Vollzeit-Stellen: Geschäftsführung, Sport, Marketing & Sponsoring und wenn möglich noch Finanzen. Zwar nur ein erster Schritt. Jedoch könnte man von diesen Personen dann tatsächlich jene Kompetenzen und Verbindlichkeiten erwarten, die benötigt werden. Eine gemeinsame Investition, die aber unvermeidbar ist.

Und wer denkt, dass der Verband jenes Geld doch bitte selbst einsammeln soll, draußen, bei Sponsoren und Förderern, der kennt die Realitäten der Sportwirtschaft nicht. In diesen Verband, mit diesen Instrumenten, mit dieser Außendarstellung, steckt niemand Geld, der einmal im Leben in einen BWL-Kurs gestolpert ist. Es sei denn sie oder er hat zu viel davon und dazu noch ein Faible für Floorball. Von denen gibt es aber allzu wenige. Der erste Schritt muss also von innen kommen. Er muss ein Fundament legen, auf dem sich arbeiten lässt.

Eine neue Struktur braucht eine neue Kultur

Aber mit festem Personal ist es noch nicht getan. Der Verband braucht außerdem eine neue Arbeits- und Kommunikationskultur. Es besteht die dringende Notwendigkeit eines vollkommen neuen Betriebssystems. Denn die tägliche Arbeit wird auch dann immer noch überfordern. Aber eben deshalb braucht es agile, schlanke und transparente Prozesse, bis zum Anschlag digitalisiert. Floorball benötigt ein Betriebssystem, das nicht nur für die wenigen Personen im Verband halbwegs funktioniert, sondern das auch die Betreuung von und Zusammenarbeit mit HelferInnen und Helfern vereinfacht, das Aufgaben und Kompetenzen bedarfsorientiert verteilt.

Der Grund, weshalb ein solcher Wandel nicht stattfindet (oder wenn, dann im brutalen Tempo einer Wanderdüne), ist, dass der Verband zu dieser Neustrukturierung nicht gedrängt wird. Tatsächlich ist es genau andersherum. Er muss um das Bisschen an Ressourcen regelrecht betteln. Dabei sollten wir Bedingungen schaffen, um jene Stellen sowie ein neues Betriebssystem einfordern und gemeinsam installieren zu können. Und das Geld dafür müssen wir für unsere gemeinsame Sache auch gemeinsam zusammenlegen – über Lizenzen und Sonderumlagen. Als Vertrauensvorschuss und Druckmittel aus der Szene heraus, von den Landesverbänden, Vereinen und Aktiven, vom Vorstand selbst, von uns allen.